Immer mehr kommen wir dahinter, dass diese Interaktion zwar ihre positiven Seiten hat, beispielsweise den Kontakt zu alten Freunden wiederaufzunehmen oder mit Verwandten in Verbindung zu bleiben –, dass soziale Medien aber auch ihre Schattenseiten haben, denen Forscher immer mehr auf die Spur kommen.
Beispielsweise haben viele soziale Medien nichts bewirkt, um eine wirklich umfassende Debatte über die Richtung zu fördern, in die sich Amerika entwickelt. Bei einem Interview mit Dianne Sawyer von ABC News anlässlich des 500-millionsten Facebook-Mitglieds, hatte Entwickler und Gründer Mark Zuckerberg 2010 Folgendes darüber zu sagen, wie seine Site und soziale Medien generell zu einer besseren politischen Diskussion beitrügen:
»Nun, ich glaube, es gibt jedem eine Stimme, oder? Also, noch vor wenigen Generationen konnten die Menschen Informationen weder teilen, noch ihre Meinung vielen anderen gegenüber äußern. Aber heute können sie das. Heute, mit sozialen Netzwerken und anderen Tools im Internet, haben alle diese 500 Millionen Menschen die Möglichkeit, zu sagen, was sie denken, und ihre Stimme zu Gehör zu bringen.«
Weniger Debatte, nicht mehr
Doch laut einer neu veröffentlichten Studie des Pew Research Center’s Internet Project ist das absolut nicht der Fall:
Einige Schöpfer und Unterstützer von sozialen Medien haben gehofft, Plattformen wie Facebook und Twitter könnten zu Diskussionsorten werden, an denen sich Leute mit abweichenden Meinungen freier äußern könnten und dadurch die öffentliche Diskussion erweitern und der alltäglichen Diskussion über politische Fragen neue Perspektiven hinzufügen.
Die Forscher von Pew konzentrierten sich auf ein Thema, das gerade auftauchte: Die Enthüllungen des ehemaligen NSA-Mitarbeiters Edward Snowden über ausgedehnte staatliche Bespitzelung der Zivilbevölkerung.
Damals befragte Pew die amerikanische Bevölkerung, und es zeigte sich, dass sie gespalten war. 44 Prozent sagten, die Veröffentlichung geheimer Informationen schade der nationalen Sicherheit und sei nicht im öffentlichen Interesse, während 49 Prozent sagten, es diene dem öffentlichen Interesse.
Soziale Medien als Werkzeug von Gruppendruck
Bei der Studie wurden einige wichtige Beobachtungen gemacht:
- Menschen waren weniger bereit, in sozialen Medien über die Snowden-Story zu diskutieren, als im persönlichen Gespräch. Tatsächlich gaben mehr als acht von zehn Befragten an, es wäre okay, darüber persönlich zu sprechen, aber nur 42 Prozent der Nutzer von Facebook und Twitter wollten es auf diesen Plattformen diskutieren (und wer würde es ihnen verdenken, angesichts der Tatsache, dass eine von Snowdens vielen Enthüllungen besagte, dass die NSA und andere Spionagebehörden der Regierung routinemäßig in sozialen Medien fischten.
- Soziale Medien waren keine alternative Diskussionsplattform für diejenigen, die nicht über die Snowden-Story sprechen wollten. 14 Prozent der Befragten gaben an, sie würden darüber nicht im persönlichen Gespräch diskutieren, von diesen sagten weit weniger als ein Prozent, sie wären bereit, etwas auf sozialen Medien zu posten.
- Persönlich und im Internet wären sie eher bereit, ihre Ansichten zu teilen, wenn sie das Gefühl hätten, ihre Zuhörer stimmten ihnen zu, sagten die Befragten. Das ist bedeutsam, denn es zeigt, dass sogar in virtuellen Communities Gruppendruck herrscht und beeinflusst, was Menschen sagen und denken.
- Das Gleiche galt für Facebook-Nutzer. Wenn Sie glaubten, dass ihnen ihre Freunde zustimmen würden, waren sie generell empfänglicher dafür, ihre Meinung über die Story auf ihrer Facebook-Seite zu posten.
- Generell waren Nutzer von Facebook und Twitter weniger bereit, ihre Meinung im persönlichen Umfeld zu teilen, das galt insbesondere, »wenn sie nicht das Gefühl hatten, dass ihre Freunde oder Twitter-Follower ihre Ansicht teilten«, hieß es bei Pew.
»Viel weniger genaues Bild der Ansichten«
Nicht nur soziale Medien, sondern das Internet generell wird als die Antwort der modernen Technik betrachtet, den Stimmlosen eine Stimme zu geben. Soziale Medien werden genutzt, um Proteste zu planen und Menschen auf bestimmte Anliegen auf-merksam zu machen.
Aber wie die Pew-Studie zeigt, unterdrücken solche Seiten allzu oft Gedanken und Debatten, anstatt sie zu ermuntern.
Damit werden sie zu einem wunderbaren Werkzeug für Propaganda durch Manipulation dessen, was Nutzer sehen, und – noch wichtiger – nicht sehen. Indem sie ihre Stimme ver-ändern oder ihre Meinung selbst anpassen, blüht keine Debatte auf, und die Öffentlichkeit hat nach wie vor ein viel weniger genaues Bild darüber, wie wir wirklich über bestimmte Themen fühlen und denken.
Verweise:
Quelle: info.kopp-verlag.de vom 06.09.2014
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