Essen ist Macht. Der österreichische Filmemacher Nikolaus Geyrhalter zeigt in gewaltigen Bildern das monströse Paralleluniversum der Nahrungsmittelproduktion.
Maschinenwesen, die mit gefühlloser Berechnung wohlmeinende Menschen zu Nahrungs- oder Energielieferanten degradieren, hyperintelligente Roboter, die ohne jeden Respekt vor Fleisch, Blut oder Seele ihren vorprogrammierten Zweck erfüllen – Stoff für heftige Albträume, wilde Endzeit-Fantasien und zahlreiche Science-Fiction-Filme.
Doch was wir nur allzu gern vergessen: Solche Szenen sind längst Realität. Und das nicht auf fernen Planeten, sondern hier, überall, täglich, für jeden von uns. Im Namen der Effizienz: Der Alltag der Nahrungsmittelproduktion übertrifft nämlich so ziemlich alles, was die grausamste Fantasie von Sci-fi-Autoren sich je an Alien-Apparaturen ausgedacht hat.
Lebende Küken werden von Sortieranlagen durch die Luft geschossen, herumlaufende Hühner von großen Saugern eingesammelt. Kilometerlange Reihen von Tomatenstauden werden von Robotern gezogen, bewässert und geerntet, ganze Fische von High-Tech-Maschinen innerhalb von Sekunden in fünf Produkte zerteilt. Bizarre Maschinen fixieren leblose Tierkörper, um jeweils ganz bestimmte Teile davon abzutrennen, auzusortieren, weiterzuverarbeiten, zu verwerten.
Dazwischen vereinzelt Menschen, die diese Prozesse von fern überwachen oder mit simplen Handgriffen unterstützen – seltsam distanziert, ohne irgendeine Beziehung zu den Lebewesen, die hier zum Produkt gemacht werden: Keine Zukunftsmusik, sondern die nackte Wahrheit hinter den hübsch dargebrachten Lebensmitteln im Supermarkt ums Eck. Schön klinisch verpackt wie Spielzeug ist es leicht, die nicht immer gut verdaulichen Verarbeitungsprozesse, die hinter jedem Nahrungsmittel stehen, zu verdrängen.
Sicher, niemand kann sich heute mehr vom veränderten Bewusstsein beim Essen fern-halten. Kaum jemand, der nicht wenigstens hin und wieder den einen oder anderen Gedanken dran verliert, wo sein Schnitzel überhaupt herkommt, oder warum es mittlerweile zu jeder Jahreszeit Frühlingszwiebeln gibt. Doch die tatsächlichen Realitäten der modernen Nahrungsmittelindustrie bleiben den meisten von uns fast völlig verborgen.
Klar, die Vorstellung von der romantischen Bauernhofidylle, wo einander Schweinchen, Landwirt und Konsument freundlich Gute Nacht sagen, ist ja auch definitiv magen-freundlicher – und verkaufsträchtiger – als die Wirklichkeit. Mit Bildern von kilo-meterlangen Glashauskulturen in der Ödnis oder Hightech-Förderband-Schlacht-apparaturen lässt sich das angenehme Geschmackserlebnis auch schlecht an den Käufer bringen.
„Ich wollte so sachlich wie möglich Bilder dieser Branche, dieser Arbeitswelt sammeln und sie wahrnehmbar machen. In dieser hochtechnisierten Welt liegt die Faszination, die von Maschinen und der Machbarkeit, dem menschlichen Erfindungs- und Organisations-geist ausgeht, eng neben Grauen und Kälte. Hier werden Pflanzen und Tiere genauso behandelt wie irgendwelche anderen Waren, und auf reibungsloses Funktionieren wird großer Wert gelegt.
Da geht es dann vor allem darum, wie können die Viecher möglichst effizient und kosten-sparend geboren, aufgezogen, und gehalten werden, und wie muss ich sie behandeln, dass sie die Zeit und den Weg zum Schlachthof möglichst unbeschadet und frisch überstehen, und Medikamentenrückstände und Stresshormone im Fleisch unter den Grenzwerten bleiben. Ob sie glücklich sind, fragt sich keiner.“
Nikolaus Geyrhalter ist nun den monströsen Mechanismen der Nahrungsmittel-produktion mit der Kamera auf den Grund gegangen – und mit Unser täglich Brot ist dem österreichischen Filmemacher ein ganz großer Wurf gelungen. Er braucht keinen päda-gogischen Zeigefinger oder seitenlange Pamphlete, um uns vor Augen zu führen, wie seltsam und teilweise regelrecht verrückt unser Umgang mit unser alltäglichen Nahrung geworden ist.
Diese angenehm unspekulativen, und wohl gerade deshalb so eindringlichen Bilder brauchen keine sinnstiftenden Erklärungen. Ihre Message dringt ungefiltert ins Herz.
Video:
https://www.youtube.com/watch?v=aoIONlkGWM8
Quelle: skip.at
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