Es fehlt nicht an statistischen Daten, die den fortschreitenden Zerfall unserer Gesellschaft in Arm und Reich belegen, aber an den zu seiner Bekämpfung notwendigen Taten.
Sozialberichte können die gesellschaftliche Wirklichkeit nie voll erfassen, denn sie ist viel zu komplex. Dass zahlreiche Armuts- und Reichtumsberichte die Ursachen sozialer Fehlentwicklungen wie der wachsenden Ungleichheit vernachlässigen, hängt mit den anders gelagerten Interessen ihrer Auftraggeber zusammen. Regierende möchten darin nämlich die Erfolge ihrer Politik dokumentiert, aber nicht ins Stammbuch geschrieben bekommen, dass sie tiefgreifende Veränderungen der Wirtschaftsordnung vornehmen müssten, um die Verteilungsschieflage beseitigen zu können.
(Foto: Suppenküche in Berlin)
Hinzu kommt die Zahlenfixiertheit von Politikern wie Öffentlichkeit, aus der empirische Blickverengungen, analytische Defizite und eine gewisse Oberflächlichkeit dieser Dokumente resultieren.
Dabei fehlt es keineswegs an statistischen Daten, die den fortschreitenden Zerfall unserer Gesellschaft in Arm und Reich belegen, sondern an den zu seiner Bekämpfung nötigen Taten. Armut und Reichtum sind keine unsozialen Kollateralschäden der Globalisierung, wie man die Menschen glauben machen möchte, sie sind im kapitalistischen Wirtschafts- und Gesellschaftssystem vielmehr strukturell angelegt. Armut ist gewollt und bewusst erzeugt, weil sie die „Aktivierung“, Motivierung und Disziplinierung der Bevölkerungs-mehrheit gewährleistet. Die (Angst vor der) Armut sichert den Fortbestand der be-stehenden Herrschaftsverhältnisse. Während der Reichtum als Belohnung für „Leistungs-träger“ dient, gilt die Armut als gerechte Strafe für „Leistungsverweigerer“, „Faulenzer“ und „Sozialschmarotzer“.
Somit bilden Armut und Reichtum zwar ein begriffliches Gegensatzpaar, aber in gewisser Weise auch zwei Seiten derselben Medaille: Wenn etwa Geringverdiener aufgrund der sie hart treffenden Krisenfolgen häufiger ihr Girokonto überziehen und hohe Dispozinsen zahlen müssen, werden die Eigentümer der Banken noch reicher, und wenn noch mehr Familien beim Lebensmittel-Discounter einkaufen müssen, um über die Runden zu kommen, häufen die Eigentümer solcher Discountketten wie Aldi Nord und Süd, die zu den vermögendsten Deutschen gehören, noch mehr Privatvermögen an.
Steuerpolitik nach dem Matthäus-Prinzip
Trotzdem ist nicht das bestehende Geld- und Zinssystem für die Spaltung in Arm und Reich verantwortlich, vielmehr das Kapitaleigentum, aber auch eine Steuerpolitik nach dem Matthäus-Prinzip: „Wer hat, dem wird gegeben, und wer nicht viel hat, dem wird auch das Wenige noch genommen“, heißt es im Evangelium dieses Jüngers Jesu und lautet das heimliche Regierungsprogramm unterschiedlicher Bundesregierungen. Dass man auf Kapitaleinkünfte (Zinsen, Dividenden usw.) bloß noch 25 Prozent Abgeltungs-steuer zahlen muss, während Arbeitnehmer bis zu 42 Prozent Lohn- bzw. Einkommens-steuer entrichten müssen, ist eine schreiende Ungerechtigkeit.
Auch fördert die durch Arbeitsmarkt-, Gesundheits- und Rentenreformen vorange-triebene US-Amerikanisierung des Sozialstaates eine US-Amerikanisierung der Sozialstruktur (Spaltung der Gesellschaft in Arm und Reich), eine US-Amerikanisierung der Stadtentwicklung (Spaltung in Luxusquartiere und Armenghettos) und eine US-Amerikanisierung des sozialen Klimas (Betonung von Privatinitiative, Eigenverant-wortung und Selbstvorsorge). Kapitaleigentümer vertreten ihre Interessen heute sehr viel massiver und rücksichtsloser als in der „alten“ Bundesrepublik, weil sich die Kräfteverhältnisse zu ihren Gunsten geändert und durch den Aufstieg des Neo-liberalismus ideologische Deutungsmuster an Bedeutung gewonnen haben, die ihre soziale Privilegierung legitimieren.
Durch die Vereinigung und die Eingliederung der neuen Bundesländer bekam die Armut in Deutschland ein anderes Gesicht. Sie verschob sich nach Osten, und Berlin entwickelte sich (gemeinsam mit dem Ruhrgebiet) zum Armenhaus der Republik. Werden die Reichen reicher und die Armen zahlreicher, findet auch eine sozialräumliche Spaltung statt. Wer die brisante Mischung von berechtigter Empörung, ohnmächtiger Wut und blankem Hass auf Politiker kennt, wie sie wohl nur in Versammlungen von Hartz-IV-Beziehern existiert, kommt zu dem Schluss, dass in Deutschland soziale Parallelgesell-schaften entstanden und die Brücken dazwischen abgebrochen sind.
Autor: Prof. Dr. Christoph Butterwegge lehrt Politikwissenschaft an der Universität zu Köln. Letzte Buchveröffentlichungen: „Armut in einem reichen Land“, „Armut im Alter“, „Krise und Zukunft des Sozialstaates“. Butterwegge antwortet in der Rubrik „Zurückge-schrieben“ unserem Leser Bernd Hack aus Berlin. In einem Leserbrief von Hack heißt es: „Heiliger Zorn packt mich jedes Mal, wenn ich die unqualifizierten Sozialberichte der Verbände, Kirchen usw. lese oder den Armutsbericht des Senats vom Mai 2014. Unqualifiziert deshalb, weil zwar die miserable Lage geistreich und soziologisch diskutiert wird, aber jede tiefere Ursachenforschung und Fehlerquellenanalyse fehlt.“
Quellen: dpa/tagesspiegel.de vom 16.06.2014
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Hat dies auf Oberhessische Nachrichten rebloggt.
Man wird ja immer belächelt, wenn man solche Thesen verbreitet, dabei fällt dann schnell man des Wort „Verschwörung“ usw. – dabei habe wir alle nur gründlich unseren Marx und – viel wichtiger: unseren Engels gelesen – aber es will ja keine die Analyse dieser großen Denker akzeptieren … jedem die Regierung, die er verdient.
Hat dies auf volksbetrug.net rebloggt.
Wir haben doch gestern 4:0 gewonnen, ich dachte das es jetzt in Schland allen gutgeht!?
Das erste 4:0 Fracking wird zugelassen
Das nächste 4:0 PKW Mautbeitrag für alle Haushalte
Noch ein 4:0 Freihandelsabkommen wird durchgeboxt
Wieder ein 4:0 Zwangsabgabe für Sparer
… wie viele auf einmal auf der Straße sind… ah war doch nur wegen Fußball.
Es fehlt nicht an Wissen und den Ursachen an den Dingen,sondern an der Erkenntnis und dem Bewusstsein ,dass man nur in einem echten solidarischen mit und für einander diese Misstände beseitigen könnte.Und dass hat für alle politischen „Entscheidungen “ seine Gültigkeit..
„Dass man auf Kapitaleinkünfte (Zinsen, Dividenden usw.) bloß noch 25 Prozent Abgeltungs-steuer zahlen muss, während Arbeitnehmer bis zu 42 Prozent Lohn- bzw. Einkommens-steuer entrichten müssen, ist eine schreiende Ungerechtigkeit.“ Das Argument hört sich logisch an, ist es aber nicht. John Stuart Mill hat bereits im 19. Jahrhundert das bis heute etablierte Steuersystem kritisiert. Er brachte es in seinen “Principles of Political Economy” wie folgt auf den Punkt:
“Denn was gespart und fest angelegt wird, zahlt künftig Einkommensteuer von den Zinsen oder Gewinnen, die es bringt, trotzdem dass es bereits als Kapital besteuert worden ist. Wenn daher Ersparnisse von der Einkommensteuer nicht ausgenommen werden, werden die Steuerzahler von dem, was sie sparen, doppelt, und dagegen nur einmal von dem was sie ausgeben, besteuert. Der so zum Nachteile der Vorsorglichkeit und der Wirtschaftlichkeit geschaffene Unterschied ist nicht nur unpolitisch, sondern auch ungerecht.”
Auch der österreichische Nationalökonom Joseph Schumpeter hat das Problem der Besteuerung von Kapitaleinkommen früh erkannt: “Was der Sparer von dem gesparten Einkommensteil hat, ist der Ertrag aus seiner Investition. Dieser Ertrag wird nun durch die herrschende Praxis zweimal geschmälert. Zuerst dadurch, dass die auf die Sparsumme entfallende Einkommensteuer den Ertrag kleiner macht als er sonst wäre und sodann dadurch, dass von diesem also durch die Einkommensteuer schon verringerten Betrag nochmals Einkommensteuer zu zahlen ist.”
Man kann den Zusammenhangen auf eine einfache Formel bringen: Ein Sparer ist steuerlich stärker belastet wie ein Nichtsparer. Das Problem ist leider von den meisten Menschen bis heute nicht verstanden. Häufig wird argumentiert, dass das Kapitaleinkommen neues Einkommen sein, welches natürlich besteuert werden müsste. Die steuerliche Vorbelastung des gesparten Kapitals wird indes nicht beachtet oder verstanden.
Ein einfaches Zahlenbeispiel kann hier hilfreich sein. Es soll das Einkommen von zwei Jahren betrachtet werden. Person A erhält im Jahr eins 100 Euro und im Jahr zwei 10 Euro. Das Gesamteinkommen beträgt dann 110 Euro. Person B erhält im Jahr eins ebenfalls 100 Euro aber im Jahr zwei nichts. Die 100 Euro werden in diesem Rechenbeispiel zu 10% angelegt. Im Jahre zwei erhält die Person B dann 10 Zinseinkommen. Das Gesamteinkommen beträgt dann ebenfalls 110 Euro. Beide Personen haben gleich große Einkommen.
Was geschieht wenn eine Steuer von 50% eingeführt wird? Die Antwort scheint banal zu sein. Das Einkommen beträgt nach Steuern 55 Euro. Rechnen wir nach.
Person A erhält im ersten Jahr nach Steuern 50 Euro und im zweiten Jahr 5 Euro. Das Gesamteinkommen beträgt somit wie erwartet 55 Euro.
Die Person B erhält im ersten Jahr ebenfalls 50 Euro. Diese 50 Euro werden zu 10% angelegt. Im Jahr zwei erhält der Sparer 5 Euro von denen aber noch 2,5 Euro an Steuern zu zahlen sind. Person B erhält nach Steuern 2,5 Euro. Das Gesamteinkommen beträgt somit 52,5 Euro. Das Gesamteinkommen hat sich stärker reduziert, als es dem Steuersatz entspricht. John Stuart Mill und Joseph Schumpeter haben somit Recht behalten. Soll diese Benachteiligung des Sparers vermieden werden, so muss entweder das gesparte Einkommen unbesteuert bleiben, wie bei der Riesterente, oder die Zinseinnahmen müssen steuerfrei sein. Der erste Fall wird als Sparbereinigung und der zweite als Zinsbereinigung bezeichnet. Beide Methoden führen dazu, dass dem Sparer 55 Euro nach Steuern bleiben. Erschwerend kommt noch hinzu, dass die Inflation im Steuerrecht nicht berücksichtig wird. Erhält ein Sparer 2% Zinsen und die Inflation liegt ebenso bei 2%, dann ist reale Ertrag 0%. Trotzdem fallen Steuern an. Das Steuersystem ist völlig unlogisch und ungerecht.
Das eigentliche Problem ist die ungleiche Vermögenverteilung. Hier muss man ansetzen.