Das Kloster Corvey will den Titel, Australien will ihn loswerden: Die Unesco berät derzeit über Welterbe-Stätten. Australien ist das Prädikat im Weg – das Land will einen Wald in Tasmanien lieber abholzen.
74.000 Hektar Wald sollen in Australien abgeholzt werden – eine Fläche so groß wie Hamburg. Den Plänen steht ein eher ungewöhnliches Problem im Weg: Der Wald in Tasmanien steht als Welterbe unter dem Schutz der Unesco. Der Status soll in den kommenden Tagen zurückgezogen werden, wünscht sich die Regierung.
(Bild: Eukalyptusbäume in Tasmanien: Australien will den Welterbe-Status des Waldes loswerden)
Sollte die Unesco zustimmen, wäre es einem Bericht der britischen BBC zufolge die erste Entscheidung dieser Art: Noch nie wurde in einem entwickelten Land der Status aus wirtschaftlichen Gründen entzogen. In Tasmanien demonstrierten Tausende gegen die Pläne.
In Katar haben die Beratungen über Stätten des Weltkultur- oder Weltnaturerbes begonnen. Aus deutscher Sicht wird vor allem die Abstimmungsrunde am kommenden Wochenende mit Spannung erwartet. Dann wird entschieden, ob die Klosteranlage Corvey im westfälischen Höxter zum Weltkulturerbe ernannt wird. Es ist in diesem Jahr der einzige Kandidat Deutschlands. Im vergangenen Jahr wurde als 38. Ort in Deutschland der Park Wilhelmshöhe in Kassel aufgenommen.
Die im Jahr 822 gegründete Benediktinerabtei gehörte zum geistigen und religiösen Zentrum des damaligen Frankenreichs. Die Anlage steht seit 1999 auf der Warteliste für Welterbestätten der Deutschen Unesco-Kommission. Das unmittelbar an der Weser gelegene Kloster Corvey geht auf eine Gründung Ludwigs des Frommen zurück, eines Sohns Karls des Großen, der mit dem Reichskloster den Herrscheranspruch über das eroberte Sachsenland festigen wollte.
Außerdem haben Deutschland, Dänemark und die Niederlande die Erweiterung des grenzüberschreitenden Weltnaturerbes Wattenmeer beantragt.
44 Orte sind gefährdet
Neben der Prüfung von Anträgen auf Aufnahme von neuen Kultur- und Naturstätten in die Welterbeliste berät das Unesco-Komitee in der katarischen Hauptstadt Doha unter anderem, ob bereits bestehende Welterbestätten in ihrem Bestand gefährdet sind.
Auf der „Liste des gefährdeten Welterbes“ stehen derzeit 44 Orte. Unter ihnen sind die Stätten im Bürgerkriegsland Syrien sowie der Nationalpark Everglades in den USA. In den Everglades hatte sich in den vergangenen Jahren die Wasserqualität des Ökosystems fortlaufend verschlechtert.
Auch das australische Great Barrier Reef ist gefährdet: Die Unesco hatte das Land aufgefordert, dass Riff zu schützen. In der vergangenen Woche legte der Bundesstaat Queensland einen Bericht der Schutzmaßnahmen vor.
Weiterhin könnte es das Qhapaq Ñan genannte Netz von Inkapfaden durch Argentinien, Bolivien, Chile, Ecuador, Kolumbien und Peru auf die Liste schaffen. Auf einer Gesamtlänge von rund 30.000 Kilometern verlaufen die Pfade teils durch gefährliche verschneite Gebirgsregionen.
Regierung sägt am Weltkulturerbe
Tasmaniens alpine Gebirgszüge, Karstlandschaften, Regenwälder und Sumpfgebiete wurden bereits vor über 30 Jahren zum Welterbe erklärt. Gigantische Eukalyptus-Bäume recken sich in den Himmel, endemische und bedrohte Arten wie der Tasmanische Teufel sind hier zuhause. In der „Tasmanian Wilderness World Heritage Area“ gibt es zudem 30.000 Jahre alte archäologische Funde. Diese zeigen, wie früh das Land besiedelt wurde, und gehören zum Welterbe.
Im Juni 2013 wurde das Unesco-Welterbe auf Betreiben der australischen Regierung um 170.000 Hektar ausgedehnt und misst seither 1,58 Millionen Hektar. Das entspricht der Fläche Schleswig-Holsteins.
Nun legt Regierungschef Tony Abbott eine Kehrtwende hin. Während eines Dinners mit Forstarbeitern sagte er laut der Zeitung Liberty Voice, Australien werde übermäßig durch Schutzgebiete behindert. Er sehe „grüne Ideologie“ am Werk und stellt laut dem Blatt klar: „Die Umwelt ist für den Menschen gemacht.“
Baldmöglichst sollten 74.000 Hektar den Status als Welterbe verlieren, fordert Abbott. In seiner Lesart handelt es sich lediglich um „kleine Begradigungen der Grenzen“. Die Flächen seien nicht schützenswert, weil sie bereits in der Vergangenheit gerodet worden seien. Naturschützer sind alarmiert und widersprechen heftig. 90 Prozent seien unberührter Urwald.
Die Regierung hat einen Antrag beim „World Heritage Committee“ gestellt. Wird er akzeptiert, verlieren nicht nur 18 von 58 riesigen Eukalyptus-Bäumen ihren Status als Welterbe, sondern ganze Täler und Wälder.
Tasmaniens Landschaften sind urwüchsig, rau, üppig, majestätisch und atemberaubend: Schroff ragen alpine Gebirgszüge auf, während der Eiszeiten haben Gletscher Täler und Schluchten ausgeschliffen, Karst gräbt tiefe Höhlen in den Untergrund. Die Küste ist wild zerklüftet. Die Insel ist bedeckt von Regenwäldern und Sümpfen. In ausgedehnten Wäldern wachsen zahlreiche Arten von Eukalyptus-Bäumen, unter ihnen mehr als 100 riesige, mehr als 80 Meter hohe Exemplare. Sie gehören zu den mächtigsten Laubbäumen der Welt.
Weil die Insel vor Jahrtausenden vom australischen Festland getrennt wurde, leben auf Tasmanien viele endemische Arten. Etliche von ihnen stehen auf der Roten Liste und sind vom Aussterben bedroht. Zu diesen Tieren gehören Libellen, Geier und Langusten. Auch der Tasmanische Teufel kämpft ums Überleben.
Archäologische Funde zeugen davon, dass die Insel bereits vor 30.000 bis 40.000 Jahren besiedelt wurde. Über 500 Generationen hinweg lebten die Ureinwohner völlig isoliert; länger als jede andere Menschengruppe.
1982 wurden rund 20 Prozent Tasmaniens von der Unesco zum Welterbe erklärt. Welt-weit stehen 981 Landschaften und Kulturdenkmale auf der Liste, wovon lediglich 29 zu beiden Kategorien gehören. Darunter die „Tasmanian Wildlife Heritage Area“.
Mehrfach hat der Status als Welterbe die Umwelt vor negativen Eingriffen bewahrt. 1983 wurden an zwei Flüssen Staudämme verhindert, 1988 und 1989 wurde in zwei Tälern Holzeinschlag unterbunden. Wiederholt hat die Unesco darauf gedrängt, das Welterbe auszuweiten. Insbesondere einige Eukalyptuswälder sah die Organisation von Abholzung bedroht.
In mehreren Stufen wurde das Welterbe tatsächlich auf 1,58 Millionen Hektar ausge-dehnt. Zuletzt wurden ihm 2013 stolze 170.000 Hektar zugeschlagen. 46.000 Hektar davon waren bereits zuvor als Nationalpark geschützt, die restliche Fläche fiel unter das „Tasmanian Forest Agreement“, eine Art Friedensvertrag zwischen Umweltschützern und Forstindustrie.
Durch die Ausdehnung von 2013 steht ein 180 Kilometer langer Korridor aus Eukalyptus-wäldern unter dem Schutz der Unesco. Der umfasste auch 58 der höchsten Bäume, von denen im Park mehr als 100 wachsen.
Nun will die australische Regierung 74.000 Hektar aus dem Welterbe schneiden. Die Begründung: Die Flächen seien nicht schützenswert. Es handle sich keinesfalls um Urwälder sondern teilweise gar um Plantagen.
Umweltschützer wie Bob Brown widersprechen. Lediglich fünf bis sechs Prozent der 74.000 Hektar seien in den vergangenen 50 Jahren von Menschen genutzt worden, 90 Prozent seien umberührt. Selbst Kulturwälder, die insgesamt 218 Hektar umfassten, müssten keinesfalls aus dem Welterbe herausgelöst werden.
Nun liegt der Antrag der Regierung beim „World Heritage Committee“ der Unesco. Das wird auf seiner Sitzung vom 15. bis 25. Juni in Qatar darüber entscheiden.
Quellen: dpa/AFP/taz.de/SpiegelOnline vom 16.06.2014
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Wer hat den ReGIERenden weltweit eigentlich so satt ins Gehirn geschissen?
Hat dies auf volksbetrug.net rebloggt.
Es ist höchste Zeit dass homo oeconomicus möglichst rasch von der Bildfläche dieses Planeten verschwindet. Er gefährdet das Leben auf der Erde wie sonst kein Raubtier vor ihm, weil ihm wirklich nichts heilig ist. Er liebt das Geld und den Über-Konsum aber nicht das Leben. Wann spricht Mutter Natur endlich ihr Verdammungs-Urteil über dieses mißratene Kind ihrer biologischen Evolution?