Spätestens seit Beginn der Wirtschaftskrise befinden sich Städte und Gemeinden der BRD in finanziellen Nöten. Die Infrastruktur verfällt. Die Schuldenbremse beraubt die Kommunen ihrer Gestaltungsfreiheit.
Als im Zuge der Wirtschafts- und Finanzkrise, die 2008 offenbar wurde, viele Kommunen in der Bundesrepublik in große finanzielle Schwierigkeiten gerieten und deshalb trotz vermehrter Kreditaufnahme ihre Ausgaben und Leistungen drastisch reduzieren mußten, wurde diese Finanznot zu einem in der Öffentlichkeit diskutierten Thema. Naheliegend, daß Bürger begannen, gegen die Einschnitte zu protestieren. Es ist eine konkrete und unmittelbar zu erfahrende Beeinträchtigung der Lebensqualität jedes einzelnen, wenn Freibäder und Theater geschlossen werden, Kitabeiträge, Gebühren und Steuern ange-hoben werden, wenn in Straßen und andere Infrastrukturen kaum noch investiert wird und Einrichtungen der Integration oder der Hilfe in finanziellen und sozialen Notlagen die Zuschüsse gekürzt werden. Viele sind auf solche kommunalen Angebote angewiesen, um im täglichen Leben zurechtzukommen und sich in der Konkurrenz auf dem Arbeits-markt zu behaupten.
Doch die Sparhaushalte führten nicht nur zu Protest und Widerstand. Mit der Finanznot der Kommunen beschäftigen sich Politik, Gewerkschaften, Wissenschaft und Thinktanks. Die Bertelsmann-Stiftung veröffentlichte 2013 ihren zweiten Kommunalfinanzreport, das Wirtschaftsprüfungsunternehmen Ernst&Young 2012 seine erste Kommunenstudie. In Hessen fand im Frühjahr 2011 eine Volksabstimmung zur Verschuldungspolitik statt. Banken wollten im Sommer 2011 Kommunen mit Nothaushalt keinen Kredit mehr geben.
Die eigentlich wichtigen Fragen wurden dabei nicht gestellt. Dort geht es nicht darum, wie den Menschen und Kommunen konkret geholfen werden kann, Einschnitte und Kürzungen zu vermeiden. Denn an Reichtum mangelt es in der Gesellschaft nicht. Es geht auch nicht um die Frage, warum die Finanzverfassung der Gemeinden so organisiert ist, daß diese immer kleiner werdende und stark schwankende Einnahmen zur Verfügung haben, mit denen sie das Leben der Bürger positiv beeinflussen können.
Die selbstverwaltete Kommune wird zwar als Keimzelle der Demokratie gelobt. Aber es wird nicht nach den Hintergründen gefragt, warum die ursprünglich demokratisch ein-gerichtete unterste Ebene des Staates mittlerweile materiell so stark eingeengt und abhängig gemacht wird von der Gewerbesteuer, d.h. von den Erfolgen und Erträgen der lokalen Unternehmen.
Worum geht es eigentlich in dieser Debatte? Es geht um den Umgang des Staates mit seinen Schulden. Inmitten der bedrohlichen Finanzkrise wurde eine Ausweitung der kommunalen Verschuldung zur Überbrückung konjunktureller Defizite zu einem Politikum gemacht, zu einem Zeichen für den generellen Umgang mit dem Staatskredit. In welchem Umfang und wofür soll der Staatskredit eingesetzt werden?
Schuldenbremse versagt
Während die Vertreter der Städte und Gemeinden wie stets Aufgabenentlastungen und Einnahmensicherungen fordern, wird der Bertelsmann-Report grundsätzlich. Er fordert eine Schuldenbremse für Kommunen. Es habe sich in den letzten Jahren gezeigt, daß die »Politik der nahezu permanenten Neuverschuldung nichts gebracht« habe, um das Leistungsvermögen zu vergrößern. Die Gemeindeverwaltungen hätten über Zins-zahlungen nur den Kapitalmarkt subventioniert. Ein Ausstieg aus der Schuldenspirale durch Leistungskürzungen und Steuererhöhungen sei jetzt erforderlich und müsse nötigenfalls auch zwangsweise durchgesetzt werden.
Die Forderung nach einer Schuldenbremse ist in der BRD nicht neu, wohl aber die Schärfe, mit der die dazu gehörige Austeritätspolitik gefordert und das Niveau öffentlicher Daseinsvorsorge zur Disposition gestellt wird.
Schon weit vor der Finanzkrise hatte sich die Bundesregierung von SPD und Grünen im Zusammenhang mit der Föderalismusreform für eine Schuldenbremse in Bund und Ländern eingesetzt. Das sogenannte Reformprojekt reichte bis zur Jahrtausendwende zurück. Damals begann die Bundesregierung angesichts einer schwächelnden Wett-bewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft zu prüfen, ob neben dem »zu hohen« Lohnniveau und der »zu starren« Arbeitsmarktregelung nicht auch die überkommene föderale Binnenorganisation des Staates und der Umgang mit der Verschuldung verändert werden müßten.
Die Realisierung der 2003 offiziell initiierten Föderalismusreform geht jedoch – anders als die der Agenda 2010 – nur langsam voran, weil Bund und Länder sich wechselseitig blockieren. Nachdem sich die große Koalition 2006 auf die Föderalismusreform I (Beschleunigung von Gesetzgebungsverfahren und Entflechtung von Mischfinanzier-ungen) hatte einigen können, ging es ab 2007 in der zweiten Stufe nun auch um eine Neugestaltung der Finanzverfassung einschließlich Regeln zur wirksameren Begrenzung der Staatsverschuldung. Die BRD hatte zuvor vier Jahre lang die Maastricht-Kriterien(1) nicht eingehalten. Viele Bundesländer können keinen verfassungskonformen Haushalt vorlegen. Die gesamtstaatliche Schuldenquote ist von 17 Prozent 1970 auf über 82 Prozent des BIP 2010 gestiegen. Diese Zahlen sollten den Eindruck erzeugen, daß die Verbindlichkeiten des Staates zu hoch seien.
Doch zu hoch für was? Wo liegt die Obergrenze einer Staatsverschuldung, und wie läßt sie sich wirksam kontrollieren? Mit der Beantwortung dieser Frage hat man einen Sach-verständigenrat beauftragt. Der stellte fest, daß sich weder theoretisch noch empirisch eine Obergrenze der Kreditaufnahme begründen lasse. Allerdings gab er Hinweise darauf, daß eine hohe Staatsverschuldung zu langfristigen Wachstumsverlusten führen könne. Doch selbst bei der vagen Formulierung »unproduktive«, d.h. nicht wachstumsfördernde Staatsverschuldung der BRD konnte unter den Sachverständigen keine Einigkeit erzielt werden.
Die Bund-Länder-Verhandlungen verliefen bis zum offensichtlichen Ausbruch der Finanz-krise Ende 2008 schleppend. Doch danach ging alles relativ schnell: die Einigung auf eine Schuldenbremse für Bund und Länder und zu diesem Zweck die Änderung des Grund-gesetzartikels 109 im August 2009; die Einsetzung eines Finanzstabilitätsrates; das Inkrafttreten der Schuldenbremse 2011; das Neuverschuldungsverbot ab 2016 für den Bund bzw. ab 2020 für die Länder. Für die Kommunen (und Sozialversicherungen) gilt die Änderung des Grundgesetzes nicht explizit, sondern nur indirekt, als Anhängsel der Länder.
Eingeengter Handlungsspielraum
Seit 2010 verschärft sich die Euro-Krise – und die Konkurrenz der Euro-Partner. Auf-geregt wurde in der Öffentlichkeit das Problem Verschuldung diskutiert. Im März 2012 beschloß die EU den Fiskalpakt. Für die kommunale Haushaltspolitik änderte das aller-dings nicht sonderlich viel. Denn die sogenannten Konsolidierungserfordernisse sind in der BRD bereits durch die Schuldenbremsen geregelt, die inzwischen in allen Bundes-ländern verfassungs- oder haushaltsrechtlich verankert sind.
Die Umsetzung des Fiskalpakts bei Kontrolle der Haushaltsdefizitgrenzen durch die EU trifft formal Bund und Länder. Faktisch aber erzwingt der Pakt eine strengere Kontrolle der Kommunen durch die Länder, weil jetzt die Schulden der Kommunen bei den Ländern mitgezählt werden. Die Länder fordern daher von den Kommunen eine größere Haushaltsdisziplin und bieten ihnen z.T. Konsolidierungshilfen (»Rettungsschirme«) zum schnelleren Abbau der »strukturellen Defizite« an.
Die Regelungen zur Schuldenbremse beinhalten, daß Städte und Gemeinden ab 2020 keine »strukturellen Defizite« mehr haben dürfen, also ihre Ausgaben den Einnahmen anzupassen haben. Regelfall und strikt einzuhaltende Obergrenze in bezug auf Kredite soll dann ein ausgeglichener Haushalt sein. Ausnahmen vom Neuverschuldungsverbot gibt es nur zum Ausgleich konjunktureller Belastungen und angesichts streng definierter Notfälle, welche sich der Kontrolle des Staates entziehen und den Haushalt besonders belasten. Für die Bestimmung, wann konjunkturelle und wann strukturelle, also nicht konjunkturbedingte, Defizite vorliegen, wurde eine Normalkonjunkturlage definiert und berechnet.
Dieses Verfahren eröffnet zwar gewisse Auslegungsspielräume. Aber insgesamt sind die Ausnahmen für Neuverschuldung eng reguliert und mit Tilgungsregeln verknüpft. Und zudem wacht der Finanzstabilitätsrat über Haushaltsnotlagen und -sanierungen.
Das verringert den finanziellen Handlungsspielraum der Kommunen, zumindest der stärker verschuldeten und einnahmeschwachen, empfindlich. Bisher hatten sie die Möglichkeit, Kredite aufzunehmen, um Investitionen vorzufinanzieren (Investitions-kredite) oder um Liquiditätsengpässe zu überbrücken (Kassenkredite). Der langfristigen, investiven Kreditaufnahme waren zwar durch die haushaltsrechtliche Aufsicht der Länder enge Grenzen gesetzt, aber manche Bundesländer waren darin weniger streng. Für die Gemeinden ergab sich ein gewisser Spielraum, um zu geringe Einnahmen auszugleichen oder Ausgaben durch Nicht-Investitionen oder Auslagerungen in Eigenbetriebe zu senken.
Seit Anfang der 1990er Jahre haben die meisten westdeutschen Kommunen allerdings vor allem letzteres getan, um die wachsenden Belastungen durch Sozialausgaben ab-zufangen. Jedoch haben das Zurückfahren der Investitionen, die Auslagerungen, die Privatisierung von Wohnungsbeständen und Infrastruktureinrichtungen und eine generell restriktive Ausgabenpolitik das Problem der strukturellen Unterfinanzierung von Gemeinden nicht gelöst. Im Gegenteil: Die Finanznot hat sich 2001 bis 2005 durch die konjunkturbedingt geringen Steuereinnahmen noch verschärft und zu einem drastischen Anstieg der Kassenkredite geführt. Der Geldmangel der Kommunen gehört zu den Dauerthemen. Warum?
»Technische Ausführungsinstanz«
Kommunen, das hat der Soziologe Georg Simmel schon 1908 beschrieben, haben eine doppelte Funktion in der Staatsorganisation. Zum einen hat der Zentralstaat die unterste Ebene mit einer gewissen, wenn auch schwindenden Eigenständigkeit und Freiheit aus-gestattet, um lokale Besonderheiten zu regeln. Diese Freiheiten nutzen manche Stadt- und Gemeindepolitiker dazu, unerwartete Mehreinnahmen in Boomzeiten nicht für notwendige Infrastruktursanierungen zu nutzen, sondern neben Gewerbeansiedlungen auch neue Kultur-, Freizeit- oder andere Einrichtungen zu schaffen, um in Konkurrenz zu anderen Kommunen ihre Attraktivität zu erhöhen.
In Zeiten wirtschaftlicher Rezession und rückläufiger Einnahmen machen sich dann Unterhaltskosten und fehlende Rücklagen negativ bemerkbar. Zum anderen sind Kommunen eine »technische Ausführungsinstanz« (Simmel) für den zentralen Staat.
Und hier liegt die entscheidende Ursache der Unterfinanzierung. Denn als solche Aus-führungsinstanz hat die Bundesregierung die Kommunen in den vergangenen Jahrzehnten besonders in der Armenfürsorge immer stärker in die Pflicht genommen. Sie hat ihnen immer mehr Aufgaben übertragen, aber die Zuschüsse dafür nicht erhöht – und sogar versucht, die Steuerbasis der Gemeinden zu schmälern, z.B. mit den Einkommens-steuersenkungen durch die Koalition von SPD und Grünen 2003. Die Folge: 2009 entfielen rund 23 Prozent der kommunalen Ausgaben auf Sozialleistungen. Dagegen waren es um 1980 zwölf Prozent und in den 1960er Jahren nur sechs Prozent. Seit 1994 geben die westdeutschen Kommunen mehr für Sozialleistungen als für Sachinvestitionen aus.
Auf diese vom Bund und auch von den Ländern mit zu verantwortende Finanznot der Gemeinden reagierten die wirtschafts- und deswegen steuerschwachen Kommunen vor allem im Ruhrgebiet, im Saarland und in Rheinland-Pfalz, aber auch in Hessen und Niedersachsen seit der Jahrtausendwende mit einer sprunghaften Ausweitung ihrer Kassenkredite. Deren Umfang war 2012 fast acht Mal so hoch wie im Jahr 1998. Dagegen sanken die sogenannten fundierten Schulden (Investitionskredite) im selben Zeitraum um knapp sechs Prozent. In den Medien werden jedoch nur die Schuldenhochburgen wie Oberhausen, Gelsenkirchen oder Essen und das »Allzeithoch« der Überziehungskredite in den Blickpunkt gerückt.
Man darf bei alledem aber nicht die absolute Größenordnung außer acht lassen. Insgesamt machen die Schulden der Kommunen mit 133,37 Milliarden Euro (2013) nicht einmal 6,5 Prozent aller staatlichen Schulden der BRD (Gebietskörperschaften, ohne Sozialversicherung) aus, Tendenz weiter fallend. Der Grund ist nicht allein das Auf-schieben von Sachinvestitionen und das Aussetzen von Ersatzinvestitionen. Seit 2012 sprudeln auch wieder die Steuerquellen, und zwar so kräftig wie nie zuvor. Die Städte und Gemeinden insgesamt erzielen wieder Haushaltsüberschüsse dank relativ guter Konjunktur und Entlastungen durch den Bund besonders bei der Grundsicherung. Der Deutsche Städtetag warnt nun auch nicht mehr vor der Finanznot der Gemeinden allgemein, sondern »nur« vor der wachsenden Kluft zwischen armen und reichen Städten.
Solche wachsenden Unterschiede zwischen armen und reichen Kommunen sind nichts Neues oder Ungewöhnliches. Denn es wurde ja gerade festgelegt, daß die Gelder, über die eine Stadt- oder Gemeindeverwaltung verfügen kann, zum großen Teil vom Erfolg der lokalen Wirtschaft abhängig sind. Und die ökonomische Entwicklung im Kapitalismus verläuft notwendigerweise krisenhaft und räumlich ungleich. Deshalb wird dieses Prinzip der Koppelung oder besser Abhängigkeit der untersten Staatsebene, der Kommunen, von der erfolgreichen Vermehrung des privaten Eigentums am Standort durch die Schulden-bremse auch nicht ausgesetzt oder korrigiert. Die Gemeinden sollen und müssen (und wollen in der Regel) auch unter diesen veränderten Rahmenbedingungen mit anderen Kommunen um den Anteil am Wirtschaftswachstum konkurrieren.
Für sie wie für Bundes- und Länderregierungen ist der Abbau der »strukturellen Defizite« bis 2020 daher vor allem ein (finanz)technisches Problem. Wie umfangreich sollen die Länder die Schuldenentlastungs- und Konsolidierungsprogramme ausgelegen (derzeit haben sie einen Umfang von rund einem Drittel der Kassenkredite)? Soll die Kommune den »Rettungsschirm« des Landes in Anspruch nehmen? Soll sie Schuld-scheine, Gemeinschaftsanleihen und andere alternative Finanzierungsinstrumente nutzen?
Für die Menschen in den armen Kommunen – laut Ernst&Young (2013) befindet sich jede siebte Gemeinde oder Stadt unter dem »Rettungsschirm«, jede zweite rechnet damit, ein Haushaltssicherungskonzept aufstellen zu müssen – ist der Preis für die Haushalts-konsolidierung und den vertraglich festgelegten Schuldenabbau schon jetzt hoch.
Einerseits werden Gebühren (besonders für Kitas und Ganztagsschulen, aber auch für Friedhöfe, Bäder, Parkmöglichkeiten) und Steuern (Grundsteuern vor allem, aber auch Hundesteuern u.a.) erhöht oder neue eingeführt. Andererseits werden kommunale Leistungen, besonders die »freiwilligen«, gekürzt oder eingestellt. Das trifft vor allem die Jugend- und Seniorenarbeit, die Straßenbeleuchtung, die Bäder, Bibliotheken, Bürger-häuser usw. Dabei läuft die Kürzungs- und Verarmungspolitik in den hochverschuldeten Kommunen erst an.
Der Bürger ist egal
Doch in der Öffentlichkeit werden nicht die Härten und Verluste an Lebensqualität thematisiert, die durch Leistungsbeschneidungen und Steuererhöhungen verursacht werden. Der Schaden für die Bürger kommt als zu erörternder Gegenstand gar nicht ernsthaft vor. Mag er bisweilen auch bedauert werden – grundsätzlich wird er als unumgänglich bezeichnet und als selbstverständlich akzeptiert, nötigenfalls auch für irrelevant erklärt und eine zwangsweise Durchsetzung entsprechender Maßnahmen eingefordert.
Für die Experten der Bertelsmann-Stiftung und andere führt ein solches Vorgehen die kommunale Selbstverwaltung keineswegs ad absurdum. Schuldenbremse und noch höhere Besteuerungen seien eine notwendige Voraussetzung für zukünftige Handlungs-möglichkeiten der Kommune und dafür die abnehmende Bereitschaft der Ortsgemein-schaft wieder zu erhöhen, der Kommune mehr finanzielle Mittel zuzugestehen. Das heißt mehr Belastungen für die Bürger zugunsten der Möglichkeit einer »künftigen Rückkehr zu einer Gestaltungspolitik«, zugunsten der »Fähigkeit der Politik, gestaltend auf gesellschaftliche Problemlagen einzuwirken« .
Diese Argumentation verdeutlicht, wie gering der Stellenwert ist, der den materiellen Belangen der Bürger beigemessen wird und wie wenig Widerstand »von unten« gegen die Sparpolitik befürchtet wird. Denn im Hinblick auf die Bürger sehen diese Experten lediglich darin ein Problem, daß eventuell das Vertrauen der Gesellschaft in die (Kommunal-)Politik untergraben werden könnte. Allerdings scheinen sie es auch nicht gerade für gravierend zu halten, wenn sie zur Vermeidung von Unzufriedenheit oder Staatsverdrossenheit schon ein vages Versprechen auf unbestimmte, zukünftig mögliche staatliche »Einwirkungen« für ausreichend erachten.
Zugleich weist diese Argumentation aber auch klar darauf hin, um was es eigentlich geht und was wirklich wichtig ist. Politik und Staat sind es, die Gestaltungsfreiheit und Hand-lungsfähigkeit benötigen – und die materiellen Grundlagen dafür. In der gegenwärtigen globalen Staatenkonkurrenz und Finanzkrise hat die Politik die Stabilität und das Ver-trauen der Finanzmärkte, also das Vertrauen der Märkte in die Kreditwürdigkeit des Staates und in die Geldstabilität, zum Sachzwang erklärt. Dafür ist die verfassungs-rechtlich verankerte Schuldenbremse ein sehr taugliches Instrument.
Der Sachverständigenrat lobt 2014 denn auch die Bundesregierung: Die Schuldenbremse von 2009 wirke sich sehr günstig auf die Refinanzierungsbedingungen der Staatsschulden aus. Investmentbanken und Hedgefonds erwarten nämlich, »daß Deutschland zukünftig eine tragfähige Finanzpolitik erreicht«. Das verspricht dem Finanzkapital sichere Gewinne und erhöht deshalb die Kredit- und damit die Konkurrenzfähigkeit Deutschlands.
Kritiker, darunter auch Ökonomen, halten diese neoliberale Austeritätspolitik für falsch, weil sie wachstumsschädlich sei. Sie plädieren für eine keynesianische Wohlfahrtspolitik mit einer Ausweitung der Verschuldung.
Sicher ist aber eines: Die Konkurrenz der Staaten um Kredite und ihre Kreditwürdigkeit wird mit einer Vernachlässigung und Kürzung bürgernaher Infrastruktur und sozialer Dienstleistungen auf allen staatlichen Ebenen, auch der der Kommunen, bezahlt. Das trifft besonders jene Regionen, mithin die dort lebenden Menschen, die vom Kapital als unbrauchbar angesehen werden und denen es daher an Wirtschaftskraft, Steuerein-nahmen bzw. Einkommen fehlt.
Sie sollen sparen, schrumpfen oder abwandern. Um es noch einmal klar zu sagen: Die gegenwärtig sprudelnden Steuerquellen werden die wachsenden Ungleichheiten nicht lindern oder gar abschaffen. Ungleichheiten sind im Kapitalismus nicht nur Ergebnis, sondern auch Antrieb und Mittel.
Arme Kommunen sollen deshalb an die Chancen glauben. Sie sollen sich anstrengen, sich den finanziellen Herausforderungen stellen, sparen, die lokale Wirtschaft ankurbeln und ihre Bürger in die Pflicht nehmen. Und all das für die prekäre Aussicht auf ein paar Gestaltungsfreiheiten in der Zukunft.
Bemerkung
1 Die EU-Mitgliedsstaaten haben sich 1992 durch den Vertrag von Maastricht erstmals zu den EU-Konvergenzkriterien (zumeist Maastricht-Kriterien genannt) verpflichtet. Diese bestehen aus fiskalischen und monetären Vorgaben. So darf der staatliche Schuldenstand nicht mehr als 60 Prozent und das jährliche Haushaltsdefizit nicht mehr als drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts betragen.
Quellen: dpa/jungewelt.de vom 21.05.2014
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