Läden haben bis spät in die Nacht geöffnet, das Partyvolk feiert bis zum Morgengrauen – die Nachtbeleuchtung veränderte das Leben in Städten. Doch die permanente Lichtglocke frisst auch Massen an Energie und stellt ein Risiko für Menschen und Tiere dar.
In der nächsten Woche huschen sie wieder über den Himmel. Dann kreuzt die Erde auf ihrer Bahn den Meteorstrom der Geminiden. Tagelang werden Abertausende Stern-schnuppen am Firmament aufleuchten, die aus der Richtung des Sternbilds „Zwillinge“ anfliegen.
(Foto: Der kanadische Astronaut Chris Hadfield postete dieses Bild der deutschen Hauptstadt am 17. April 2013 auf Twitter)
Doch in den Städten werden die Menschen von dem Spektakel kaum etwas erahnen. Dort ist der Nachthimmel durch Myriaden von Lichtquellen derart aufgehellt, dass nur die lichtstärksten Sternschnuppen sichtbar sind. Allenfalls in ländlichen Regionen, in denen die Nacht noch einigermaßen dunkel ist, erleben Beobachter das himmlische Feuerwerk in seiner vollen Pracht.
Das „ewige Licht“ ist eine der Plagen unserer Zivilisation. Aus den Häusern dringt Licht, Laternen, Leuchtreklamen und Autoscheinwerfer erhellen die Straßen, und Baudenk-mäler werden gelblich angestrahlt. Vielerorts tasten zudem die Lichtfinger von Disko-Scheinwerfern über den Himmel, und manche Länder, etwa Belgien, beleuchten sogar ganze Autobahnabschnitte. In den Niederlanden wiederum machen die beleuchteten Gewächshäuser großflächig die Nacht zum Tage.
Astronomen beklagen diese Lichtverschmutzung schon lange. Die klassischen städtischen Observatorien, mit denen viele große Entdeckungen der Astronomie gelangen, werden für die Forschung zunehmend nutzlos, weil das Streulicht der Siedlungen die schwachen Himmelsobjekte überstrahlt. So musste die Berliner Sternwarte wegen schlechter Beobachtungsbedingungen bereits 1913 von der Innenstadt nach Babelsberg ziehen.
Zugleich wandelt sich das Bild des nächtlichen Firmaments, wie es unsere Altvorderen noch kannten. Vom hellen Band der Milchstraße ist kaum noch etwas zu sehen, und es zeichnen sich nur noch die Sternbilder mit den hellsten Sternen ab, wie jetzt im Winterder Orion. Die meisten anderen Konstellationen sind höchstens noch fragmentarisch zu erkennen.
Großstadtnächte zehnmal heller als vor 150 Jahren
Wie sehr sich die Nächte in Großstädten bereits wandelten, lässt eine Studie erkennen, die Forscher um den Physiker Christopher Kyba von der Freien Universität Berlin im Jahr 2012 erstellten. In Großstädten wie Berlin, so das Ergebnis, ist es in klaren Nächten schon jetzt zehnmal heller als vor 150 Jahren. Staubpartikel brechen das Licht, über den Orten glimmen riesige Lichtglocken. Die größte Veränderung aber fanden die Studien-autoren bei bewölktem Himmel: Die Sonne geht unter, doch es bleibt hell, und die Lichter der Stadt strahlen weit ins Umland. „Früher waren klare Nächte heller als bewölkte“, erklärte Studienleiter Kyba, „Heute ist es umgekehrt: Wolkige Nächte sind in Berlin in manchen Nächten tausend Mal heller als früher.“
Die Forscher fanden noch etwas viel Befremdlicheres heraus. Mit einem eigens ent-wickelten Messgerät hatten sie Veränderungen der Farbe des Himmels gemessen. Wie sich zeigte, färbt sich der Nachthimmel über Berlin bei Bewölkung zunehmend rötlich. Ihre Studie trägt daher den Titel „Rot ist das neue Schwarz“. „In annähernd jeder Epoche der Erdgeschichte haben Wolken den Tag- und Nachthimmel verdunkelt“, sagt dazu der Ökologe Franz Hölker, der den Interdisziplinären Forschungsverbund „Verlust der Nacht“ leitet. „In Regionen mit starker Beleuchtung ist nachts jedoch das Gegenteil der Fall; so ist in Berlin das blaue Licht eines bewölkten Nachthimmels siebenmal heller als in unbewölkten Nächten, das rote Licht achtzehnmal.“
Tiere irren umher und sterben in Massen an Laternen und Fenstern
Das Verschwinden der Dunkelheit ist indes nicht nur ein Ärgernis für Romantiker und Astronomen, sondern hat auch negative Folgen für Tiere und Menschen. Denn das irdische Leben auf der Erde passte sich in Jahrmillionen der Evolution an den Wechsel von hell und dunkel an. Tagaktive Tiere sowie Menschen benötigen die Nacht zum Schlafen, Entspannen und Regenerieren. Bei der ersten interdisziplinären Konferenz zu künstlichem Licht, die Ende Oktober dieses Jahres in Berlin stattfand, wollten die Veranstalter daher nicht nur auf die schädlichen Einflüsse der Lichtverschmutzung aufmerksam machen, sondern diskutierten die ökologischen Auswirkungen auch im Detail.
So irren Tiere umher, oder sie sterben massenhaft an Laternen und Gebäudefenstern. Manche vermehren sich ungebremst, während andere vor der Helligkeit flüchten, sie zeugen dann weniger Nachwuchs. Weiter könnte das zusätzliche Licht die Beziehung zwischen Räubern und Beute beeinflussen, etwa bei Eulen und Mäusen. Umgekehrt brauchen nachtaktive Tiere die Dunkelheit für die Nahrungssuche und teilweise – wie beim Glühwürmchen – auch für die Fortpflanzung. In Seen, die vom Glanz der Städte beleuchtet werden, sinkt Plankton in dunkle Tiefen. Dort zehrt es den Sauerstoff auf, der dann den Fischen fehlt. Und an den Stränden frisch geschlüpfte Meeresschildkröten kriechen in Richtung leuchtender Siedlungen statt ins glitzernde Wasser. So verenden sie elend, ihren eigentlichen Lebensraum, den Ozean, erreichen sie nie.
Artenspektrum könnte sich durch das nächtliche Licht verschieben
Einige Studien zeigten zudem, dass künstliches Licht Wanderfische wie Lachse beein-flussen kann. So unterbrechen diese zeitweise ihre Wanderungen an hell erleuchteten Brücken oder Flussabschnitten. Bei Vögeln erwies sich der Tag-Nacht-Rhythmus als gestört. Biologen des Berliner Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung untersuchen auch die Auswirkungen der Lichtflut auf Fledermäuse. Sie ernähren sich hauptsächlich von Insekten, von denen wiederum viele von künstlichen Lichtquellen angelockt werden. Für die Fledermäuse sind sie eine leichte Beute. Spinnen haben den dort reich gedeckten Tisch ebenfalls entdeckt und lauern in großer Zahl mit ihren Netzen auf Beute.
Allerdings meiden viele Arten der Flattertiere den Lichtkegel der Laternen. Als Folge kann sich das lokale Artenspektrum verschieben, auch könnten die Säuger aufgrund der Lichtverschmutzung ihre Quartiere erst später am Abend verlassen. Dann fangen sie weniger Beute, was ihre körperliche Verfassung beeinträchtigen kann. Das Kunstlicht zieht indes nur bestimmte Insektengruppen wie Nachtfalter an und stößt andere ab. Dies könnte sich den Forschern zufolge auf Insektenpopulationen und somit auf ganze Nahrungsnetze auswirken.
Auch der Mensch reagiert auf Licht: Spezielle Fotorezeptoren in der Netzhaut nutzen es als Taktgeber, um dem Organismus zu signalisieren, ob gerade Tag oder Nacht ist. Damit wird unsere „innere Uhr“ gestellt, die wiederum viele Stoffwechselprozesse beeinflusst. Kommen diese aus dem Takt, sind Störungen die Folge, was beispielsweise bei Schichtarbeitern zu beobachten ist.
Als biochemisches Metronom dient das Hormon Melatonin, das ausschließlich im Dunkel der Nacht in der Zirbeldrüse entsteht. Nimmt seine Konzentration im Blut zu, wird der Mensch müde. Licht – voran die blauen Wellenlängen, wie sie viele LED-Lampen aussenden – hemmt die Melatonin-Synthese, folglich kann künstliche Beleuchtung die innere Uhr verstellen. Dann sind Störungen des Biorhythmus die Folge, die im Extremfall arbeitsunfähig machen können. Nach neueren Erkenntnissen verhindert Melatonin auch die Entstehung von Tumoren. Fehlt das Hormon, ist der Körper dieses Schutzes beraubt. Manche Mediziner sehen einen Zusammenhang mit dem rasanten Anstieg von Brustkrebs.
Das Leben unter der Lichtglocke begann vor 130 Jahren
All dies begann im September 1882, als der US-Erfinder Thomas Alva Edison einen Schalter umlegte. In New York leuchten daraufhin simultan Hunderte von Glühbirnen auf. Nach und nach wurden die Metropolen der Welt in immer gleißenderes Licht getaucht, mit der Folge, dass Hunderte Millionen Menschen keine Dunkelheit mehr kennen. Sie leben laut dem Berliner Forscher Kyba unter Lichtglocken, die von hellem Orange am Tag zu Orange-Rot in der Nacht wechseln und mit einer jährlichen Rate von fünf Prozent wachsen.
Nachtbeleuchtung verschlingt ein Viertel weltweit erzeugter Energie
Die kulturellen Auswirkungen der Beleuchtungsrevolution sind immens. Die Schicht-arbeit breitete sich aus, Läden haben bis spät in die Nacht geöffnet, und das Partyvolk führt ein exzessives Nachtleben. Die Umwandlung der Nacht zum Tag hat indes nicht nur einen ökologischen, sondern auch einen wirtschaftlichen Preis. Dem Forschungsverbund „Verlust der Nacht“ zufolge verschlingt die Beleuchtung rund ein Viertel der weltweit erzeugten Energie – mit den entsprechenden Umweltfolgen. Hinzu kommen indirekte Kosten, verursacht etwa durch Schlaflosigkeit und dadurch bedingte Gesundheitsprobleme.
Nun steht die nächste Lichtrevolution bevor. In ihrer Studie prognostizieren Dyka und seine Kollegen, dass sich die Farbe des Nachthimmels abermals drastisch ändern wird – nämlich von rot zu blau. Ursache ist der zu erwartende Wechsel zu Licht-emittierenden Dioden (LED) in der Straßenbeleuchtung. „Der derzeitige weltweite Trend, Gasent-ladungsröhren durch LED-Lampen zu ersetzen, wird die Helligkeit und das Licht-spektrum des Nachthimmels erneut verändern“, konstatiert Dyka. An unbewölkten Tagen streue die Atmosphäre besonders das kurzwellige blaue Licht. Deshalb können weiße LED-Leuchten ohne Änderungen bei Design und Einbau den Himmel in unbewölkten Nächten stark erhellen.
Mittlerweile ist das Problem der Lichtverschmutzung in der Politik angekommen. So zählt Licht zu den im Bundesimmissionsschutzgesetz erfassten schädlichen Umwelt-wirkungen. Der zuständige Länderausschuss erließ eine „Richtlinie zur Messung und Beurteilung von Lichtimmissionen“, die Menschen schützen soll, Kritikern zufolge jedoch nicht auf die Belange des Naturschutzes eingeht. Verbindliche Grenzwerte zur Lichtimmission stehen noch aus.
Nun machen Amateur- wie Profi-Astronomen gegen die Lichtverschmutzung mobil. Professionelle Forschungsinstitute haben sich mit ihren Observatorien längst in ent-legene Gebiete oder gar in den Weltraum zurückgezogen, was jedoch sehr teuer und aufwändig ist. Den Amateuren bleibt dies verwehrt, deshalb wollen sie den dunklen Nachthimmel auf Erden zurückgewinnen. Die „Vereinigung der Sternfreunde“ etwa gründete eine Fachgruppe namens „Dark Sky“. „Unser Leben mag heute ohne künstliches Licht nicht mehr vorstellbar sein, doch muss deshalb Alles in einem endlosen 24-Stunden-Tag erleuchtet werden?“, fragen die Dark-Sky-Leute auf Ihrer Internetseite. Die Gruppe will Denkanstöße geben, wie sich der Blick auf den nächtlichen Sternhimmel ohne Einbußen von Komfort oder Sicherheit verbessern lässt.
Eines ihrer Ziele ist die Einrichtung von „Sternenparks“, die in bereits vorhandenen Naturschutzgebieten angelegt werden könnten. In geeigneten Gebieten maß die Fachgruppe dazu bereits die Himmelshelligkeit. Überraschender erwies sich das Westhavelland als dunkelste Region Deutschlands, obwohl dieser Landstrich nur 70 Kilometer von der Glitzermetropole Berlin entfernt liegt. Nun will die Fachgruppe den Naturpark Westhavelland bei der International Dark Sky Association als „Dark Sky Reserve“ anmelden. Die Freunde der Nacht planen nun, dort einen Sternenpark mit einem internationalen Astronomie- und Naturkundezentrum zu etablieren. Auch im Nationalpark Eifel und auf der Schwäbischen Alb kämpfen Sterngucker für solche Paradiese der Dunkelheit.
Dimmer oder Bewegungsmelder als sinnvolle Anpassungen
Dazu bedarf es indes der Einsicht der Politik insbesondere auf lokaler und regionaler Ebene. So sollte in den Sternenparks und ihrer näheren Umgebung Licht nicht in die Horizontale oder gen Himmel strahlen, dazu bedarf es sogenannter voll abgeschirmter Leuchten. Zudem müssten Helligkeit und Leuchtdauer möglichst weit reduziert werden, ohne die Sicherheit zu gefährden. Bei der öffentlichen Beleuchtung besteht ohnehin Handlungsbedarf, denn Städte und Gemeinden müssen demnächst die vielen noch in den Straßen eingesetzten Quecksilberdampflampen ersetzen, das erfordern Vorgaben der EU. Als Ersatz dürften überwiegend preisgünstige LED-Leuchten dienen.
Die Dark-Sky-Gruppe fordert nun, Leuchten zu bevorzugen, die ein nicht aufwärts gerichtetes, warmweißes Licht mit möglichst geringem Blauanteil abgeben. Zudem sollten die Lampen zu später Stunde abgeschaltet werden. Auch eine Anpassung der Lichtintensität, etwa durch Dimmen oder den Einsatz von Bewegungsmeldern, sei denkbar.
Inzwischen zeigen sich im Kampf gegen den Lichtsmog erste Erfolge. Belgien etwa schaltet seine grelle Autobahnbeleuchtung nach Mitternacht ab, und Slowenien erließ ein Gesetz gegen die Lichtverschmutzung: Leuchtkörper dürfen dort nicht mehr wahllos in den Himmel strahlen. Städte wie Zürich oder Rotterdam wollen ihre Lampen immerhin besser fokussieren. Auch Frankreich geht mit gutem Beispiel voran. Bei unseren Nach-barn ist es seit Juli verboten, Schaufenster zwischen ein Uhr und sieben Uhr morgens zu beleuchten, und in Büros müssen nachts die Lichter gelöscht werden.
Hierzulande zeichnet sich ebenfalls ein Bewusstseinswandel ab. Wie die Dark-Sky-Gruppe berichtet, fragen viele Kommunen, Städte und Verbände, ab wann Kunstlicht zur Lichtverschmutzung wird. Offenbar erkennen immer mehr Menschen den natürlichen dunklen Nachthimmel als schützenswertes Kulturgut und als Lebensraum vieler Tiere an – vor allem aber als einen Hort romantischer Schönheit, der einen ungetrübten Blick in die funkelnde Sternenwelt bietet.
Video bei FocusOnline – Sternengucker erstellen auf Globeatnight.org Weltkarte der irdischen Beleuchtung – Link
Video: NASA – Die Erde bei Nacht
Quellen: NASA/FocusOnline vom 01.12.2013
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Reblogged this on The whole Truth – Die ganze Wahrheit.
Diese Lichtverschmutzung ist Audruck unseres Bedürnisses nach Sicherheit, man möchte sehen, was vor einem liegt und nicht böse überrascht werden. Es ist ein Symptom unserer Zeit und ein Symptom für den menschlichen Fortschritt … fort vom Natürlichen. Krebszellen strahlen mehr Licht aus als gesunde Zellen, zudem ist dieses Licht nicht kohärent, Stichwort Biophotonen. Übertragen auf die Lichter der Metropolen zeigt sich, was es damit auf sich hat …
Gruß