Hiobsbotschaften für Pendler: Im Bereich um den Hauptbahnhof in Essen sind noch mehr Hohlräume gefunden worden. Bis auf Weiteres heißt das: Verspätungen und Schneckentempo. Für Experten sind solche Funde alles andere als überraschend.
Sie wissen: Fast das ganze Ruhrgebiet ist unterhöhlt. Manchmal entstehen Hohlräume, weil sich das Erdreich verschiebt so wie 2009 in einem spektakulären Fall in Kamen (Foto). Oft aber spielt der Bergbau eine entscheidende Rolle, zu einem großen Anteil auch durch wilden Kohleabbau in vergangenen Jahrhunderten. Wer dann vor einem solchen Krater steht, erkennt: Die Welt auf der Oberfläche ist nur wenige Gesteins-schichten von den Spuren der Vergangenheit entfernt.
Was in Essen hätte passieren können, wenn sich auch dort die Erdoberfläche unter den Gleisen einfach nachgegeben hätte, mag man sich lieber nicht ausmalen. Fakt aber ist: Unter dem Essener Hauptbahnhof wird in diesen Tagen ein Risiko sichtbar, das weite Teile in NRW seit Jahrzehnten begleitet. Und das im unbekannten Ausmaß. Hohlräume durchziehen die unterirdischen Schichten vor allem im südlichen Ruhrgebiet etwa unter-halb der B1/A40 und im Aachener Raum.
Manchmal tut sich die Erde auf
Was die Gefahr unter der Erdoberfläche am Ende bewirken kann, zeigt schon schnell ein Blick auf die Häufigkeit von Tagesbrüchen in der Region. Das zuständige Dezernat der Bezirksregierung Arnsberg registriert im Jahr 100 bis 120 Meldungen. In den meisten Fällen sackt die Erde nur wenige Zentimeter ab, manchmal sind es aber auch ein paar Meter.
Was Bergbau-Techniker als Tagesbruch bezeichnen, kann dann ein Ereignis mit gespenstischen Zügen werden. Alle paar Jahre tut sich in extremen Fällen der Erdboden auf. In einem Krater verschwinden dann plötzlich riesige Erdmassen und fallen in den vom Bergbau ausgehöhlten Stollen.
In Bochum bedrohte ein Krater das ganze Viertel
In NRW blieben in den vergangenen vor allem zwei Ereignisse in Erinnerung: Im Januar 2000 tat sich in einem Wohngebiet in Bochum das sogenannte „Wattenscheider Loch“ auf. Der Krater bedrohte das ganze Viertel. Obwohl das Loch sofort mit Zement auf-gefüllt wurde, mussten einige Häuser aufgegeben werden. Im Februar 2004 stürzten in Siegen unter einem Wohngebiet Stollen und Gänge einer Grube ein, Häuser drohten abzusacken und einzustürzen. Der Tagesbruch ist seitdem weithin als „Siegener Loch“ bekannt.
So weit ist es in Essen glücklicherweise nicht gekommen. Doch die Experten waren gewarnt. Nun geht es darum, die neu entdeckten Hohlräume mit flüssigem Beton zu verfüllen. Erleichtert wurde registriert, dass die unterirdischen Blasen bislang keine Auswirkungen an der Erdoberfläche gezeigt haben. Die Überwachung der Gleisbereiche zeigte keinerlei Bewegung. „Der Stollen war bisher standfest. Wie lange noch, das wissen wir nicht“, heißt es bei der Bezirksregierung Arnsberg.
Wilder Abbau in vergangenen Jahrhunderten
Womit die Bahn nun zu kämpfen hat, gehört zum Erbe des Ruhrgebiets und seiner Geschichte als einem Gebiet, in dem seit Jahrhunderten Kohle abgebaut wird. Seit dem 16. Jahrhundert treiben die Menschen Stollen in die Erde. Und das nicht immer so wohl geordnet und dokumentiert, wie in den vergangenen Jahrzehnten.
So sind die Hohlräume unter dem Essener Bahnhof aller Wahrscheinlichkeit nach auf wilden Abbau zurückzuführen. Auf der Suche nach Kohle trieben die Bewohner des Ruhrgebiets im 19. Jahrhundert bis in die Nachkriegszeit teils wenige Meter unter der Erdoberfläche Stollen in die Erde, nirgendwo dokumentiert oder unauffindbar in den Wirren der Jahrhunderte verschwunden.
Tappen im Dunkeln
Die Flöze führten teils waagerecht in die umgebenden Hänge hinein, weil die Kohle im Ruhrtal und anderen Bachtälern nah an der Oberfläche lag. „Gerade in der Nachkriegszeit haben die Menschen in ihrer Not Kohle aus oberflächennahen Stollen geholt“, erzählt Andreas Nörthen, Sprecher der Bergbauabteilung der Bezirksregierung.
Fragt man Nörthen, welche Menge solcher unbekannter Stollen sich noch im Untergrund versteckt, lacht er. „Das wissen wir nicht“, sagt er und verweist auf die Unmenge an Daten, aber auch Unwägbarkeiten im Umgang mit dem Kohleerbe. Die Behörden tappen im Kampf gegen das Risiko unter der Erdoberfläche sprichwörtlich im Dunkeln.
Schätzungen sprechen von 30.000 unbekannten Tagesöffnungen
Der wilde Abbau hat ein unterirdisches Netz hinterlassen, dessen Ausmaß Experten nur mit größter Vorsicht schätzen wollen. Zu unwägbar ist das Ausmaß des undokumen-tierten Kohleabbaus. Anhaltspunkt liefern zumindest die sogenannten Tagesöffnungen, Stellen an denen das unterirdische Tunnelgeflecht in Form von Schrägstollen oder Schächten nah an die Oberfläche kommt. 30.000 sind bisher bekannt, erläutert Nörthen. Weitere 30.000 verstecken sich Schätzungen zufolge noch, kleine Öffnungen mit ein-gerechnet.
Mit einem gemessen an der Aufgabe kleinen Team von 45 Leuten bemüht sich die Bezirksregierung dieses Erbe aufzuarbeiten. Dabei bedienen sie sich des in Jahr-hunderten angesammelten Kartenwerks. Etwa 120.000 Pläne aus verschiedenen Jahrhunderten liefern zumindest Hinweise, wo sich Risikopunkte verbergen könnten. Verdichtet sich der Verdacht auf eine konkrete Gefährdung, greift das Risikomanagement ein und beauftragt detaillierte Untersuchungen vor Ort und Probebohrungen.
Pendler reagieren gelassen
Fertig werden Nörthen und seine Kollegen damit vermutlich nie. „Das ist eine Generationenaufgabe“, beschreibt er die Sisyphusarbeit, bei der sich in jedem Jahr neue Löcher auftun.
Den Pendlern im Ruhrgebiet ist die Problematik offensichtlich bewusst. Der große Ärger auf die Bahn blieb trotz der Verspätungen der vergangenen Tage jedenfalls aus. „Es trägt ja niemand direkt die Schuld“, sagt etwa Stefan Keller, der jeden Tag von Recklinghausen nach Essen fährt. „Wenn ein Bergschaden der Grund ist, kann ich das leicht akzeptieren.“
Er und andere Bahnpendler im Ruhrgebiet werden sich in den kommenden Tagen weiter in Geduld üben müssen. Nach wie vor umfahren die meisten Fernzüge Mülheim, Essen und Bochum. Verspätungen von 10 bis 15 Minuten sind die Folge. Bei S-Bahnen und Regionalzügen gibt es mehrere Änderungen im Fahrplan.
Aus Sicherheitsgründen dürfen die Züge seit Mittwochabend westlich des Essener Hauptbahnhofs nur mit Schrittgeschwindigkeit fahren.
Quelle: rp-online vom 25.11.2013
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