Das Meer ist kaputt

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Es war die Stille, die diese Reise anders machte im Vergleich zu allen anderen zuvor. Nicht die Abwesenheit von Tönen, um genau zu sein. Der Wind peitschte noch die Segel und pfiff in der Takelage. Die Wellen schwappten noch gegen den Fiberglas-Rumpf. Und es gab viele andere Geräusche: dumpfe Schläge und Stöße und Kratzer als das Boot gegen Trümmer stieß. Was fehlte, waren die Schreie der Seevögel, die auf allen früheren ähnlichen Fahrten das Boot umgeben hatten.

Die Vögel waren nicht da, weil die Fische fehlten.

Vor exakt 10 Jahren, als der Newcastle-Segler Ivan Macfadyen (Foto an Bord der Funnel Web) genau den gleichen Kurs von Melbourne nach Osaka segelte, war alles, was er hatte tun müssen, um einen Fisch aus dem Meer zwischen Brisbane und Japan zu fangen, eine Köder Leine auswerfen.

“Es gab nicht einen der 28 Tage auf diesem Teil der Reise, wo wir keinen großen Fisch fingen den kochten und mit Reis aßen“, erinnerte sich Macfadyen. Aber dieses Mal fingen wir auf der gesamten langen Reise nur zwei Stück. Keine Fische. Keine Vögel. Wohl kaum ein Zeichen von Leben überhaupt.

“In vergangenen Zeiten hatte ich mich an die vielen Vögel und ihr Geschrei gewöhnt“, sagte er. ”Sie folgten dem Boot, rasteten manchmal am Mast, ehe sie wieder abhoben. In großen Scharen konnten wir sie dabei beobachten, wie sie knapp über der Meeresober-fläche flogen und sich Sardinen herausholten. Aber im März und April dieses Jahres umgaben nur Stille und Trostlosigkeit unser Boot Funnel Web, als es über Wellenkämme zog. Nördlich des Äquators sahen wir auf Höhe von Neu-Guinea ein großes Fischerboot arbeiten an einem Riff in der Ferne“. Den ganzen Tag blieb es dort. Fuhr hin und her. Es war ein großes Schiff, wie ein Mutterschiff“, erzählte er.

Und auch während der ganzen Nacht arbeitete es bei hellem Flutlicht. Und am Morgen wurde Macfadyen von einem Crew-Mitglied geweckt, der mitteilte, von dem großen Schiff hätte ein Schnellboot abgedreht.

“Natürlich war ich besorgt. Wir waren unbewaffnet und Piraten sind eine echte Sorge in diesen Gewässern. Ich dachte, wenn diese Jungs Waffen hätten, dann wären wir in großen Schwierigkeiten”. Aber sie waren keine Piraten, zumindest nicht im herkömmlichen Sinn. Das Schnellboot kam an und die melanesische Besatzung offerierte Gastgeschenke: frisches und eingelegtes Obst und Marmelade in Gläsern. Und fünf große Zucker-Säcke voll mit Fisch. “Es waren gute, große Fische, die meisten ganz frisch aber einige hatten wohl schon einige Zeit in der Sonne gelegen.”

“Wir haben ihnen gesagt, dass diese Menge an Fischen zu viel für uns wäre, wir sie nicht aufbrauchen könnten und auch keinen Kühlschrank hätten“. Sie zuckten mit den Schulter und meinten, wir könnten sie ja leicht über Bord hängen und so frisch halten oder einfach zurück ins Wasser werfen – das würden sie mit ihrem Zuviel auch tun.

“Sie sagten uns, dass das nur ein Bruchteil eines Tages Beifangs war. Sie wollten nur Thunfisch fangen und alles andere wäre unerwünscht. Gefangen, getötet und zurück ins Meer geworfen. Sie fuhren in dieser Bucht Tag und Nacht, jede Woche und fischten dabei alles aus dem Wasser. Alles!

Das tat Macfadyen nun bis in sein Herz weh. Das war nur ein einziges Fischerboot unter unzähligen weiteren, die jenseits des Horizontes das Gleiche taten. Kein Wunder, dass das Meer tot war. Kein Wunder, dass seine Köderleinen nichts fingen. Es gab nichts zu fangen.

Wenn das deprimierend klingt, es kam noch schlimmer.

Die nächste Etappe der langen Reise war von Osaka nach San Francisco und wurde für eine weite Strecke geprägt von der Trostlosigkeit, wie schon erfahren, manchmal gefärbt mit Ekel erregendem Horror und einem gehörigen Maß an Angst.

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“Nachdem wir Japan verlassen hatten, fühlte es sich an, als ob das Meer selbst tot wäre”, sagte Macfadyen.

“Wir sahen kaum Lebewesen. Wir sahen einen Wal, der irgendwie hilflos an der Ober-fläche herum rollte mit etwas, das aussah wie ein großes Tumorgeschwür auf seinem Kopf. Es war ziemlich widerlich.

“In meinem Leben habe ich viele Kilometer auf dem Meer zurück gelegt und dabei Schildkröten, Delphine, Haie und große Schwärme fischender Vögel gesehen. Aber dieses Mal habe ich auf einer 3000 nautische Meilen langen Fahrt nichts Lebendiges zu sehen bekommen“. Anstelle des fehlenden Lebens aber Müll in erstaunlichen Mengen.

“Ein Teil dieses Mülls sind die Folgen des Tsunamis, der Japan 2011 getroffen hat. Die Welle kam über das Land herein, nahm eine unglaubliche Ladung Sachen auf und trug sie ins Meer. Und dort sind sie noch die Sachen. Überall – wohin du auch schaust“. Ivans Bruder, Glenn, der in Hawaii an Bord gekommen war, um nach Amerika mit zu segeln, wunderte sich über „Tausende über Tausende“ von gelben Plastikbojen. Dazu riesige Gewirre aus Kabeln, Kunstfaserseilen, Angelleinen und Netzen. Millionen von Styropor Stücken. Und Schlieren von Öl und Benzin. Unzählige hölzerne Strommasten sind draußen, mitgerissen durch die Killer-Welle und treiben dort mitsamt ihren Drähten mitten im Meer.

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“In früheren Jahren, wenn du hier vom fehlenden Wind aufgehalten wurdest, hast du deinen Motor gestartet und bist weiter gefahren“, sagt Ivan . Diesmal nicht.

“An vielen Orten konnte wir unseren Motor nicht anlassen aus Angst, die Schraube könnte sich in der Masse von Seilen und Kabeln verfangen. Das ist eine unerhörte Situation da draußen im Ozean. “Wenn wir starteten, ging das nie bei Nacht, nur tagsüber, wenn wir vom Vorschiff aus dem Müll ausweichen konnten“.

“Auf dem Vorschiff, in den Gewässern vor Hawaii, konnten wir weit in die Tiefe sehen. Ich konnte sehen, dass die Trümmer nicht nur an der Oberfläche sind, sondern auch unterhalb. Und es gibt Müll in allen Größen, von einer Plastik-Trinkflasche bis zu Autos und Lastwagen. Wir sahen einen Fabrik-Schornstein aus dem Wasser ragen, mit irgend-einer Art von Kessel-Anhang unter dem Wasserspiegel baumelnd. Es gab einen riesigen Container, der auf den Wellen schaukelte“.

“Wir haben alle diese Trümmer umrundet. Es war, als würden wir durch eine riesige Müllhalde segeln. Unter Deck hörten wir ununterbrochen Dinge auf dem Rumpf an-schlagen und wir hatten Angst, eines davon könnte uns ein Leck verursachen. Am Ende war der Rumpf total verbeult und zerkratzt von all dem, was wir nicht sehen konnten“.

„Plastik war allgegenwärtig. Flaschen, Taschen und jede Art von Wegwerf-Gütern des Haushalts die man sich nur vorstellen kann, von zerbrochenen Stühlen bis zu Mist-schaufeln, Spielsachen und Geschirr. Und noch etwas: Die lebhafte gelbe Lackierung des Bootes, nie verblasst von Sonne und Meer über viele Jahre, hat mit irgend etwas aus dem Wasser vor Japan reagiert, verlor ihren Glanz auf eine seltsame und noch nie da gewesene Weise“.

Zurück in Newcastle setzt sich Ivan Macfadyen noch immer mit dem Schock und Horror der Reise auseinander. ”Das Meer ist kaputt”, sagte er und schüttelte den Kopf – fassungslos und ungläubig.

Das Problem der Erkenntnis ist riesig, und dass keine Organisationen oder Regierung ein besonderes Interesse zu haben scheint etwas dagegen zu tun, bringt Macfayden dazu, nach Ideen zu suchen. Er plant, bei Ministern der Regierung zu lobbyieren, in der Hoffnung, dass sie helfen könnten.

Erst einmal möchte er die Organisatoren der wichtigsten australischen Regatten an-sprechen, dass sie sich in ein internationales System einschreiben, welches Freiwillige verpflichtet den Abfall und die Meereslebewesen zu überwachen.

Er selbst hat sich in dieses Schema schon eingetragen, während er in den Vereinigten Staaten von Amerika war, als er davon hörte, dass amerikanische Akademiker Segler aufforderten, täglich Untersuchungsbögen für Strahlungs-Werte auszufüllen – eine erhebliche Sorge im Gefolge des Reaktorunglücks von Fukushima.

“Ich fragte sie, warum verlangen wir nicht eine Flotte und beginnen, aufzuräumen? Aber sie sagten, sie hätten berechnet, dass die Umweltschäden durch Verbrennen des Treib-stoffs um diesen Job zu tun schlimmer wäre, als die Trümmer zu lassen, wo sie sind”.

Quellen: theherald.com.au/netzfrauen.org vom 20.10.2013

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