Blind, taub und regungslos und unfähig zu leiden: Mittels Gentechnik könnte es bald solche viehischen Maschinen geben, die Fleisch und Milch im Akkord produzieren. Darf der Mensch Tiere so ausbeuten? Nein!
Wir denken uns eine Kuh, vier Beine, Rumpf und Kopf, das Euter.
„Eine Milchkuh?“, fragt Arianna Ferrari vom Institut für Technikfolgeabschätzung und Systemanalyse ITAS am Karlsruher Institut für Technologie KIT, auf dem Tisch einen Apfel, nicht mehr frisch.
140 Kilo Milch am Tag, viermal automatisch gemolken!
Ferrari, Dr. phil., wadenhohe Stiefel aus künstlichem Leder, nippt am Grüntee und spricht: „Die Logik der Ausbeutung“.
Die Kuh, die wir uns denken, hat weder Namen noch Rang, nur eine Nummer, .230849-012-G, sie steht draußen vor der Tür, Campus Nord, Gebäude 0451, stumm und klaglos: ein Tier vom Typ AML.
„Aha“, knurrt die Tierphilosophin aus rotem Mund.
AML bedeutet Animal Microencephalic Lumps, Tierklumpen mit Kleinsthirn.
„Eine AML-Höchstleistungsmilchkuh, frei von jedem Problem!“, sagt Doktor Ferrari und versucht zu lächeln.
AML-Tiere sind unfähig zu leiden
Den Begriff AML setzte der Philosoph Gary L. Comstock in die Welt, 1992, North Carolina State University: Tiere, reduziert auf den Nutzen, den sie der Menschheit erbringen, gentechnisch verändert bis zur Leidensunfähigkeit. AML-Legehennen, zum Beispiel, hätten, weil sie die nicht mehr bräuchten, weder richtige Beine noch Flügel noch Federn, sie seien blind und taub und regungslos, legten nur Ei nach Ei, jenseits jeder Empfindung. AML-Schweinen, unfähig zu leiden, könnte regelmäßig Fleisch aus dem Leib geschnitten werden, das, bei guter Versorgung mit Nährstoffen, wieder nachwüchse.
Noch gibt es sie nicht, noch bevölkern sie erst die Gedankengänge einiger Philosophen.
Mittlerweile, sagt Ferrari an ihrem Tisch – neben dem Apfel ein Buch, Müssen Ethiker moralisch sein? –, mittlerweile mache bereits ein weiterer Begriff die Runde, weniger eindeutig, weniger belastend, Animal Disenhancement for Animal Welfare, Ver-minderung der Fähigkeiten von Tieren zum Zweck, deren Wohlbefinden zu schützen.
Unser Gedanke, Nummer .230849-012-G, steht vor der Treppe und käut wieder: Frau Ferrari, dieser Kuh geht es doch gut!
Ferrari holt Luft: „Es geht ihr weder gut noch schlecht, sonst wäre sie keine AML-Kuh.“
Ist das verwerflich?
Kein Mensch, keine Kuh, keine Moral ohne Elektronen und Quarks
Vor 13.700.000.000 – sprich 13,7 Milliarden – Jahren sammelte sich eine unvorstellbare Menge Energie auf allerwinzigstem Raum, der vielleicht nicht größer war als der hundertste Teil des Durchmessers eines Punktes auf dem Buchstaben i. Dieser Punkt blähte sich plötzlich, als wäre er ein Ballon, zu kosmischer Dimension auf, undenkbar schnell: der Urknall (Anm. d. Red. Die Mär vom Urknall).
In weniger als dem billionsten Teil einer Sekunde wandelte sich diese Energie in Materie, das Universum war gezeugt, ein Chaos aus Teilchen und Strahlen, noch sehr dicht und noch sehr heiß, milliardenfach heißer als das Innere unserer heutigen Sonne. Schwere und flüchtige Materieteilchen zerfielen praktisch sofort in leichtere, stabile, in soge-nannte Elektronen und in sogenannte Quarks: Elektronen und Quarks sind der Rohstoff der Welt, aller Sonnensysteme, der Sterne, der Erde, kein Leben ohne sie, kein Mensch, keine Kuh, keine Moral.
Aber vor zwei Millionen Jahren erst, 13.698 Millionen Jahre nach der Entstehung der Welt, wuchs – neben unzähligen anderen – ein Wesen heran, Homo erectus, Homo sapiens (Anm. d. Red. Die Mär von der Evolution), das sich, ausgestattet mit einem großen Hirn, daranmachte, seine Mitkreatur zu nutzen, erfolgreicher als jede andere Art, seit dem Sommer 1973 auch durch die Veränderung dessen, was während Äonen entstanden war, des Erbguts, der Gene: der Sekundensieg über die Evolution.
Jetzt dreht sie den Kopf ins Licht und hört zu kauen auf, sie dreht den Kopf zurück, öffnet den Mund, schiebt ihre lange, graue Zunge ins rechte Loch der Nase: Dieser Kuh geht es doch glänzend!
Ferrari lächelt.
Das Rind und die Erbse haben ein beinahe identisches Gen, Histon-H4: Was auf diesem Planeten lebt, ist miteinander verwandt. Gene – also Ausschnitte aus der Erbinformation, DNA genannt, Desoxyribonukleinsäure – lassen sich deshalb, zumindest theoretisch, aus dem einen Organismus beliebig in einem anderen unterbringen, auf eine Weise, dass das manipulierte Wesen die neue Eigenschaft annimmt und seinen Nachkommen vererbt (Anm. d. Red. gleich zu setzen mit dem modernen Ja-Sager-Menschen).
„Oder die Veränderung geschieht dadurch, dass ein Gen ausgeschaltet wird, ausge-knockt“, sagt Ferrari im Büro 317b, blauer PVC, Neonlicht, an der Wand ein Bild, eine Landschaft mit vier Bäumen, Egon Schiele, 1917, gegenüber ein Schild: Hochspannung, Vorsicht Lebensgefahr!
Zombiemäuse, die keine Anzeichen von Bewusstsein zeigen
Knock-out-Mäuse gibt es im Jahr 39 der Gentechnologie in verschiedensten Modellen: furchtlose Mäuse, die mit Katzen schmusen, weil sie deren Geruch, der Lebensgefahr bedeutet, nicht mehr alarmiert, nackte Mäuse, fast schmerzunempfindliche Mäuse, die nicht mehr merken, wann sie sich verletzen, intelligente Mäuse, die unter chronischen Schmerzen leiden und überängstlich sind, Zombiemäuse (Auflösung der Gesellschaft in versklavte Zombies), die keine mäusetypischen Anzeichen von Bewusstsein zeigen, nackte Mäuse, schizophrene Mäuse, Schwarzenegger-Mäuse, dreißig Prozent kräftiger als ihre unveränderten Genossen.
Im Jahr 2006 habe man errechnet, schimpft Arianna Ferrari in den frühen Karlsruher Abend, dass über sieben Millionen Versuchsmäuse notwendig seien, über sieben Millionen!, um für jedes der 25.000 Gene der Maus ein Knock-out-Modell herzustellen.
„Und dies ist das Ziel eines Projekts des National Institutes of Health in den USA, www.knockoutmouse.org“, sagt Ferrari gestikulierend mit ihren schmalen Händen, zwei breite Ringe daran, und schweigt.
Unsere Kuh da draußen sieht nicht anders aus als eine heutige!
Die geht jetzt einige Schritte, bückt sich zu einem Büschel Gras, frisst es nicht, sie geht einige Schritte und bleibt stehen, öffnet den Mund, rollt die Zunge, dreht den Kopf ins Licht und wartet auf nichts, AML.
Eine Kuh im Koma.
Leiden der Tiere kraft Gentechnologie beenden
Wenn der Mensch sich schon Nutztiere halte und diese darunter litten, wie er dies tue, dann sei es wohl im Interesse gerade dieser Tiere, dass ihr Leiden – kraft Gentechnologie – minimiert oder verhindert werde, meinen jene, die die Produktion von Tierklumpen mit Kleinsthirnen für bedenkenswert halten.
Die Herstellung eines leidensunfähigen Tieres sei ethisch neutral, schrieb der Philosoph Bernard E. Rollin, Colorado State University, 1995, weil die Vertretbarkeit der Handlung im Hinblick auf die tatsächlichen Konsequenzen für das Wohlergehen des existierenden Tieres zu bestimmen sei und nicht in Bezug auf die Handlung als solche.
Ein Ersatz der herkömmlichen Nutztiere durch transgene – also gentechnisch veränderte – und leidensunfähige Tiere sei dem Status quo vorzuziehen. „I argue that all people concerned with animal welfare should agree that we ought to replace the animals currently used in factory farming with animals whose ability to suffer is diminshed if we are able to do so“, Adam Shriver, Washington University in St. Louis, 17. April 2009.
Frau Ferrari?
Sie fährt sich schnell durchs schwarze Haar, schlägt ein Bein über das andere, langes Kleid aus grauem Fleece.
Sie kritisiere ja nicht die Biotechnologie per se, überhaupt nicht. Denn es seien in der Tiermedizin auch Projekte am Laufen, tatsächlich mit dem Zweck, das Wohlergehen eines Tieres zu sichern: und nicht dessen Nutzung durch den Menschen.
„Was ich aber kritisiere, ist, dass man die ersten Fragen nicht stellt.“
Die lauten?
„Darf der Mensch überhaupt Tiere nutzen? Wenn ja, unter welchen Bedingungen? Tiere haben heute keine fundamentalen Rechte, kein Recht auf Leben, keines auf Freiheit.“
„Und was gibt dem Menschen dieses Recht?“
„Dass er Mensch ist?“
Ferrari gießt Tee nach, so heftig, dass er spritzt.
„Darf der Mensch Tiere einfangen, darf er sie einsperren, anketten?“
„Mit welchem Recht?“
„Darf er einer Kuh die Milch nehmen, die eigentlich ihrem Kalb gehört? Darf er das Kalb trennen von seiner Mutter?“
„Mit welchem Recht?“
„Darf er Tiere reiten? Beladen? Vor den Pflug spannen?“
„Darf er sie scheren?“
„Mästen?“
„Töten, um sie zu essen, um ihre Haut zu tragen, ihr Fell, ihre Federn? Oder weil ihm gerade danach ist?“
Hat der Mensch das Recht, ein Tier zu benützen?
Die meisten aber, die nun das Szenario von AML entwürfen, keine Unmenschen, nein, ernsthafte Ethiker, nette Kollegen, die alle setzten ja bereits voraus, der Mensch habe fraglos das Recht, ein Tier zu benützen.
„Und das, ehrlich gesagt, diese Logik der Macht, die ärgert mich sehr“, sagt Dr. phil. Arianna Ferrari, 35-jährig, geboren in Cremona, Stadt von Stradivari und Guarneri, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Technikfolgeabschätzung und Systemanalyse ITAS, Karlsruher Institut für Technologie KIT, 76344 Eggenstein-Leopoldshafen, und schlägt die Hand auf den Schenkel. Es ist Abend.
Nummer .230849-012-G, hornlos, das Euter prall und tropfend, steht vor Gebäude 0451, Campus Nord, sie schaut hinauf zu Büro 317b, zweites Stockwerk, sie öffnet den Mund, bewegt die haarigen Lippen, spielt mit der Zunge, steht und wartet und dreht den Kopf ins Licht, Animal Microencephalic Lumps, Animal Disenhancement for Animal Welfare, unsere Kuh im Koma, vielleicht, wenn sie träumen könnte, träumte sie jetzt von der Zeit, da sie noch gehen konnte, Tausende von Metern, sie hatte einen Namen, Arcadia.
Arcadia steht im Stall, zweimal täglich wird sie gemolken, zweimal dreißig Liter, am Morgen etwas mehr, der Bauer ist zufrieden; manchmal streichelt er meinen Rücken, denkt sie, krault meine Stirn, manchmal spricht er mit mir. Ich stehe auf einer kunst-stoffenen Matte, die große Rote links, meine beste Freundin, über mir hängt ein Bügel aus Metall, der Kuhtrainer, der mir 300 Volt in den Rücken jagt, wenn ich ihn krümme, um zu scheißen, also trete ich, bevor ich scheiße, einen Schritt zurück, damit der Strom mich nicht trifft, dann fällt mein Dreck direkt in den Graben und nicht auf die Matte, das freut den Bauern, er nennt mich Arcadia, und ruft er meinen Namen, drehe ich den Kopf zu ihm.
Eigentlich mag ich den Bauern, er ist gut zu mir, ich mag es, wenn er mich melkt, manchmal schießt mir die Milch schon in die Zitzen, wenn die Stalltür geht, Milch fließt aus mir, selbst wenn ich Fieber habe, ich kann nicht anders, aber einmal, da war ich noch Kalb, vielleicht drei Wochen alt, als zwei Männer mich in eine Ecke trieben, ein dritter, der Bauer, stellte sich über mich, als wollte er mich reiten, packt mich am rechten Ohr und drückt meinen Kopf an seinen Bauch, dann setzt er den Thermokauter an, ein heißes Gerät, das einem Lötkolben gleicht, hält es auf meinen Schädel, dreht den Kolben ins Lebendige, bis dort, wo vorhin noch Horn war, ein rundes Loch klafft, ich winde mich vor Schmerz. Dann brennen sie auch das linke Horn aus.
Bin ich ein Tier, oder eine Maschine?
„Das ist die Realität“, sagt Arianna Ferrari, in der Hand die Tasse, darauf, beide tanzend, Mowgli und Baloo aus dem „Dschungelbuch“.
„Und diese Realität hat die Vorstellung von komatösen Kühen ja erst geboren.“
Ein Rind kann 150 andere Rinder unterscheiden
Rinder, wenn sie die Möglichkeit dazu haben, sprechen mit Rindern durch die Haltung ihres Körpers, vor allem des Kopfes und der Hörner, so noch vorhanden. Ein Rind ist fähig, 150 andere Rinder zu unterscheiden. Manche Kühe haben Freundinnen, die sie selbst nach einem halben Jahr der Trennung sofort wiedererkennen und sich von ihnen lecken und kratzen lassen. Freundinnen sind in der Lage, einander zu bedeuten, wo sie geleckt, gekratzt werden möchten, manchmal an so verletzlichen Stellen wie dem Auge.
Sonst aber gehen Kühe auf Distanz, bewahren sich einen Raum von drei, vier Metern, den eine Unberufene besser nicht betritt. Konflikte lösen sie zum größten Teil durch Drohen und Weichen. Rinder, die noch Hörner haben, sind dabei sprachlich im Vorteil. Unter-suchungen zeigen, dass enthornte Kühe, eines ihrer Ausdrucksmittel beraubt, sich vier- bis achtmal häufiger puffen und stoßen als solche, die Hörner haben. Stress.
Allerdings braucht der Bauer, der Kühe mit Hörnern hat, einen größeren Stall als der, der hornlose hat. Das kostet.
Frau Ferrari, darf der Mensch nun Tiere grundsätzlich nutzen oder nicht?
Sie dreht sich zum Fenster, schaut vorbei an der lila Orchidee, sieht die Kuh, die wir meinen, ruhig steht sie in der Blankenlocher Straße, spielt mit der Zunge und steht und wartet und dreht den Kopf ins Licht, rollt die Zunge, schlägt sie hoch und steckt sie ins linke Loch der Nase.
„In unserer Gesellschaft: Ja – der Mensch darf!“
Ferrari zaust ihr schwarzes Haar.
„Aber an sich: Mit welcher Begründung soll der Mensch dies dürfen?“
Denn sie, Ferrari, verbiete sich jeden Speziesismus.
Speziesismus?
Speziesismus bedeute Diskriminierung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer Spezies. Die Spezieszugehörigkeit werde also zum Kriterium für die ungleiche Behandlung von Lebewesen.
Leidensfähige Lebewesen haben ein Interesse, nicht zu leiden
„Aber das Prinzip der Gleichheit besagt: Gleiches ist gleich zu behandeln. Speziesisten aber meinen, die Zufügung von Leiden an leidensfähigen Lebewesen sei anders zu ge-wichten, je nachdem, ob dieses Leiden einem Menschen oder einem Tier zugefügt wird. Dieses Prinzip der Gleichheit besagt jedoch nicht, dass zum Beispiel eine Kuh das Recht auf Bildung hat. Ich meine, leidensfähige Lebewesen haben ein Interesse, nicht zu leiden, unabhängig davon, zu welcher Spezies sie gehören. Das ist entscheidend!“
Klar, sagt Arianna Ferrari, das Rind habe den Menschen vielleicht erst sesshaft gemacht. Vor allem die Milchkuh, in manchen Gesellschaften noch heute heilig, sei mit der Ge-schichte der Menschheit sehr eng verbunden, gleichsam Teil ihrer Kultur geworden, es wundere sie deshalb nicht, sagt Ferrari, dass derzeit so viele gentechnische Projekte liefen, einige mit dem Ziel, aus dem Euter der Kuh eine Art menschliche Milch zu gewinnen.
17 Jahre nach dem ersten, vergleichsweise primitiven Gentransfer durch menschliches Tun – zwei Amerikaner übertrugen ein Stück Erbgut von einem Bakterium auf ein anderes – blökte in den Wiesen hinter Edinburgh bereits das Schaf Tracy, Patent-antragsnummer WO 90/05188, das in seiner Milch AAT ausschied, Alpha-1-Antitrypsin, ein Medikament gegen eine Lungenkrankheit des Menschen.
Schweine als Ersatzteillager für den Menschen
Mittlerweile, 2012, Jahr 39 der Gentechnologie, gibt es transgene Kühe, deren Milch mehr Kasein enthält als die Milch unveränderter Tiere: Kasein erleichtert die Her-stellung von Käse und anderen Milchprodukten. Es gibt Kühe, deren Milch einen Wirkstoff gegen Milchallergie mitführt oder das antibakterielle Peptid Lysostaphin, das die Milchdrüsen, ständig überfordert, gegen die häufige Mastitis schützt, eine Euter-entzündung durch das Bakterium Staphylococus aureus. Es gibt transgene Hühner, fast unfähig, die Vogelgrippe zu übertragen. Es gibt transgene Schweine, sogenannte Enviro-Pigs, die in ihrem Kot weniger Phosphat ausscheiden; es gibt Schweine, gentechnisch so verändert, dass einige ihrer Teile in Menschen eingesetzt werden können, Xenotrans-plantation; es gibt Schweine, die haben, damit ihr Fleisch den Menschen bekömmlicher ist, das Spinatgen FAD2 in sich.
Auch transgene Zuchtfische gibt es längst, kälteresistent dank des Antifreeze Proteins AFP, auch Zuchtlachse, die schneller wachsen als unveränderte, AquAdvantage salmon®.
Was unterscheidet den Menschen vom Tier?
„Der Mensch ist ein Tier unter Tieren“, sagt Dr. Arianna Ferrari, summa cum laude, und zupft an der Kette um ihren Hals.
„Ihre Frage, wenn schon, müsste lauten: Was unterscheidet den Menschen von den anderen Tieren – Plural! Denn das Tier an sich gibt es nicht, es gibt nur Tiere, unzählige Spezies, eine davon ist der Mensch, eine andere ist die Forelle, der Elefant, die Biene, der Frosch, die Katze, das Rotkehlchen, der Maulwurf, der Steinbock, die Spitzmaus, der Schimpanse, der Aal, das Schwein, das Rind.“
Was also, Frau Ferrari, unterscheidet das menschliche Tier von nicht menschlichen?
Seltsam sei es, sagt sie, dass der Mensch nicht müde werde, nach einem Unterschied zu suchen, wo der doch nur graduell sei, die Rationalität betreffend, Bewusstsein und Selbstbewusstsein.
Eines Tages stand ein Mann hinter mir, den ich noch nie gesehen hatte, er sprach mit dem Bauern, dann hob er meinen Schwanz und steckte seinen Arm in meine Scheide, ich war noch jung, gut anderthalb Jahre alt, begriff nicht. Ich wurde dann müde und dick und dicker, manchmal streichelte der Bauer meinen Bauch, kraulte meine Stirn, und neun-einhalb Monate nach dem Besuch des Fremden gebar ich ein Kalb, der Bauer half mir dabei, er lobte mich, nannte meinen Namen, Arcadia, und gern hätte ich mein Kalb ge-leckt, ich wollte es lecken, aber der Bauer trug es sofort weg, ich konnte es nicht lecken, nun war ich eine Mutter, eine Milchkuh, neben mir die große Rote, meine beste Freundin, unter mir der Kunststoff, über mir der elektrische Bügel, 300 Volt, zweimal am Tag stand ich im Melkstand, der Bauer griff mir an das Euter, streichelte ihn, massierte ihn, dann setzte er die Melkmaschine an, das war schön, am Morgen und am Abend, vier saugende und pressende Becher, 44 bis 46 Impulse pro Minute.
Zitzen der Milchkuh sind so gezüchtet, dass sie in die Melkmaschine passen
An die hundert Kilo fließen heute täglich aus einer Höchstleistungsmilchkuh, durch Zucht dazu gezwungen, angetrieben mit Gras, Kraftstoff, Palmöl, Kokosfett aus Übersee. Damit im Euter einer Kuh nur ein einziger Liter Milch entsteht, müssen innerhalb von 24 Stunden 400 Liter Blut die Drüsen passieren, bei hundert Liter Milch 40.000 Liter Blut, Tag für Tag, eine Laktation lang, 305 Tage. Ihre vier Zitzen sind so gezüchtet, dass sie in die Becher der Melkmaschine passen, nicht zu lang, nicht zu dick, aber so weit offen, dass sie in möglichst kurzer Zeit möglichst viel Milch entlassen, bis zu acht Liter in der Minute: Bakterien dringen ein. Mastitis. Antibiotika.
Dr. Ferrari krümmt sich zum Computer, schreibt, wartet.
„2010 wurden, erfasst von der FAO, der Welternährungsorganisation, weltweit 720.980.007 Tonnen Milch produziert, 599.615.097 Tonnen davon durch Kühe. Wollen Sie wissen, was hier sonst noch steht?“
320 Millionen geschlachtete Rinder und Büffel im Jahr 2010
424 Millionen geschlachtete Ziegen
537 Millionen Schafe
630 Millionen Truthähne
1,2 Milliarden Kaninchen
1,375 Milliarden Schweine
2,7 Milliarden Enten
55 Milliarden Hühner
1,2 Billionen Eier im Jahr 2010
Zwei Monate nach der Geburt meines Kalbes stand wieder der Fremde hinter mir, schob wieder seinen Arm in meine Scheide, wieder gebar ich ein Kalb, gern hätte ich es geleckt und gesäugt.
Kühe, die der Mensch säugen lässt, erkennen säugenderweise, wie es gesundheitlich um ihre Kälber steht. Rezeptoren im Innern der Zitzen prüfen ständig den Speichel des trinkenden Kalbes. Stellen die fest, dass das Kalb von einem bestimmten bakteriellen Infekt befallen ist, reichert die Kuh, bereits nach zwei, drei Stunden, ihre Milch mit einem Gegenmittel an, Immunoglobulin.
Wieder gab ich Milch, wieder 305 Tage lang. Wieder ein Kalb. Der Bauer lobte mich, Arcadia, brave Kuh, bestes Stück im Stall.
Tiere haben eine Würde!
„Das ist heute, zumindest in der westlichen Gesellschaft, unbestritten, manche reden von Integrität, in der Praxis bedarf beides der Interpretation“, sagt Dr. phil. Arianna Ferrari in ihrem Büro, Pflanzen im Rücken, Pflanzen auf dem Sims, daneben ein Stapel Bücher, Lexikon der Globalisierung, Medizinrecht, Autonomie und Ethik.
Was, Frau Ferrari, bedeutet Ihnen das Wort Schöpfung?
Wieder schlägt sie das eine Bein über das andere, zupft an der langen Kette aus großen roten Bohnen.
Sie glaube nicht, sagt sie endlich, dass alles, was naturgegeben sei, an sich gut und vollkommen sei. Erst wir Menschen, fähig zu moralisieren, begriffen Situationen und Handlungen als gut oder als schlecht.
„Ich denke nicht, dass etwas heilig ist nur deshalb, weil es sich so entwickelt hat, nein.“
Ihr Handy klingelt.
„Aber man muss begründen, radikal begründen, warum wir Menschen etwas verändern wollen.“
Und sei es durch herkömmliche Züchtung?
„Genau!“
„Ganz genau!“
Züchtung bedeutet immer Selektion und Optimierung
Denn selbst wenn das Züchten von Tieren eine Konstante der menschlichen Kultur sei, so bedeute, sagt Ferrari, Vegetarierin seit fünfzehn Jahren, Veganerin seit mehr als vier, so bedeute Züchtung immer Selektion und Optimierung von tierischen Merkmalen im Hinblick auf menschlichen Konsum. Früher, sagt sie, möge es unter bestimmten Bedingungen notwendig gewesen sein, Tiermilch zu trinken oder Pelze zu tragen, heute aber stehe dem Menschen andere, pflanzliche Nahrung problemlos zur Verfügung, auch andere Kleidung, aus Kunststoff zum Beispiel oder aus Baumwolle.
„Ich bin Antispeziesistin, ganz klar!“
Wieder ein Kalb, mein drittes, wieder eine Entzündung, im ersten Milchstrahl, den der Bauer aus meinem Euter presste, waren Flocken, der Tierarzt sprach von Staphylokokken und Galtstreptokokken, er spritzte mir ein Mittel direkt in die Zitzen, das tat weh, zwölf Stunden später drückte auch der Bauer das Mittel in meine Zitzen, zwölf Stunden später noch einmal, Benzylpenicillinim procainicum, wieder ein Kalb, wieder Mastitis, immer weniger Milch, der Bauer streichelte meinen Rücken, meinen Hals, er sagte, Arcadia, langsam reicht’s mir.
Gentechnologie, Frau Ferrari, ist die Steigerung von Züchtung?
„Die Logik ist heute meistens die gleiche. Die Auswirkung keineswegs.“
In Wahrheit kennt der Mensch, wenn er Gene von einem Lebewesen auf ein anderes überträgt, weder den genauen Ort der sogenannten Insertion, der Einpflanzung, noch die Anzahl der Moleküle, die eingebaut werden. Im Genom, dem Erbgut des manipulierten Wesens, kann es geschehen, dass die Information sich neu ordnet, dass einzelne Gene ausgemerzt, verdoppelt oder verschoben werden. Das Risiko, auf diese Weise unbekannte Übel zu schaffen, indem man bekannte entfernt, wiegt umso schwerer, als der Mensch weiß, dass manche Erbkrankheiten oft über mehrere Generationen hinweg verborgen schlummern, bevor sie endlich ausbrechen.
In Wahrheit ist es dem Menschen, Homo neoliberalis, bis heute nicht gelungen, ein kommerziell erfolgreiches transgenes Nutztier zu schaffen.
Ich hatte einmal eine Freundin, die große Rote. Waren wir auf der Weide, stellten wir uns nebeneinander, sie und ich, nicht Kopf an Kopf, sondern Kof an Hintern, wir leckten uns, kratzten uns, mit meinem Schwanz wedelte ich ihr die Fliegen aus dem Gesicht, sie mit ihrem aus meinem. Und eines Tages, als ich nicht mehr trächtig wurde, sagte der Bauer: Mädchen, tschüss.
Die Nutzungsdauer einer europäischen Milchkuh, die Zeit zwischen der Geburt ihres ersten Kalbes bis zu ihrer Schlachtung, betrug 1965 sechs Jahre, heute sind es dreieinhalb. Früh verbraucht, anfällig für Krankheiten, oft unfruchtbar geworden, trifft sie ihren Metzger zu einer Zeit, da ihr Wachstum eben erst vollendet ist, mit fünf Jahren, am Ende ihrer Jugend.
Letzte Frage: Gehört die Fähigkeit, Angst zu haben, sich unwohl zu fühlen, zu leiden, zur Würde eines Tieres, ob menschlich oder nicht menschlich?
„Ja!“, sagt Arianna Ferrari.
„Unbedingt!“
Denn jedes Lebewesen sei holistisch zu betrachten.
Holistisch?
Umfassend, ganzheitlich! Weil nicht nur positive Stimuli das Leben eines Tieres aus-machten, sondern auch negative – selbst wenn jetzt manche Antispeziesisten, vielmehr sogenannte Transhumanisten, keine Unmenschen, ernsthafte Ethiker, nette Kollegen, meinten, es sei geradezu die moralische Pflicht des Menschen, andere Spezies am Segen der Gentechnik zu beteiligen, auf dass das Leiden aus dieser Welt verschwinde, Raubtiere nicht mehr raubten und Menschenaffen endlich sprechen lernten.
Es ist längst dunkel, kühler Wind weht durch die Blankenlocher Straße, Campus Nord. Vor Gebäude 0451 käut .230849-012-G wieder, Elektronen und Quarks, stumm, klaglos, aber fähig, Milch und Fragen auszuscheiden; kübelweise, mehr denn je.
Fazit: Was stellen wir fest? Was wir den Tieren antun, tun wir uns selbst an. Auch wir werden genetisch-zellular transformiert und modifiziert, fängt mit der Nahrungsauf-nahmen (Aspartam, Flourid) an, geht über die chemischen Pharmaprodukte, bis zu Chemtrails am Himmel, elektromagnetische Felder, Handys, WLan – ach ja, und Kinder werden von Jugendämtern ihren liebevollen Müttern gestohlen.
Während noch heute diverse Kirchenfürsten selbst Rehen, Hirschen, Katzen oder Hunden die Seele absprechen, wobei Ex-Papst Ratzinger und sein Vorgänger Karol Wojtyla sogar verkündeten, die Tiertötung sei legitim, wenn sie zum Nutzen des Menschen geschehe, hat Friedrich Schiller sogar dem Wurm eine Seele zuerkannt!
Quellen: PRAVDA-TV/Keijser/Hollandse Hoogte/laif/WeltOnline vom 07.05.2013
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Das is nichts anderes als pervers.
(Das sage ich als Fleischfresser).
bisschen schockierend, weil sowas schon (spassig) in Per Anhalter durch die Galaxis vorkam.
„Kühe deren Wunsch es ist geschlachtet zu werden“. Fand ich schon in dem Roman nicht komisch.
Ne also finde ich nicht witzig, und solche Sachen auch alles andere als akzeptabel.