Er gilt als der Begründer des Mottos „Small is beautiful“, das Friedrich Schumacher 1973 ausformuliert hat. Bereits vorherrschte, ständiges Wirtschaftswachstum könne alle Probleme lösen, trat Kohr dem entgegen. Er forderte die Rückkehr zum „menschlichen Maß“. Kohr lieferte mit seinen Ideen viele Anregungen für die später entstehende Grün- und Ökologiebewegung. Seine wichtigsten Werke erschienen u.a. in Englisch, Spanisch, Französisch, Italienisch, Japanisch und Walisisch.
Das Ende der Großen
Bereits im September 1941 erschien im New Yorker Magazin „The Commonweal“ ein Artikel Kohrs mit dem Titel „Disunion Now“. Darin sprach er sich erstmals gegen den nationalen Größenwahn und für ein Europa der Kantone aus. Die nationalstaatlichen Einigungsprozesse der Vergangenheit hätten nur imperiale Großmächte hervorgebracht, die sich gegenseitig in den Haaren lägen, so Kohr damals. Anfang der 1950er Jahre voll-endete Kohr dann sein Hauptwerk „The Breakdown of Nations“ (Das Ende der Großen). Erst 1957 wurde das Buch in London veröffentlicht. Ein Indiz dafür, dass Kohr mit seinen Ideen seiner Zeit weit voraus gewesen ist.
Nach Kohrs Ansicht lag/liegt das Wohl des Menschen nicht im permanenten wirt-schaftlichen Wachstum, sondern in der Rückkehr zum „menschlichen Maß“. Er be-hauptete, dass hinter allen Formen des sozialen Elends eine einzige Ursache stünde: etwas (Staat, Wirtschaftseinheit, Betrieb, Institution) sei zu groß geworden. Um dies zu untermauern wies er auf die Analogie der Saurier hin, die ebenfalls an ihrer Größe zugrunde gegangen seien.
Jede Vereinigung zu einer größtmöglichen Einheit sei die Vorstufe zum Verfall, so Kohr weiter. Als Beispiel führte er bereits damals einen Vielvölkerstaat wie die UdSSR an – heute längst in kleinere Einheiten zerfallen. Ein Staat sollte eine Bevölkerungsgröße von 12 bis 15 Millionen Menschen nicht übersteigen, denn dann würde er seine reibungslose Funktionsfähigkeit verlieren. Der Kontakt der Staatsspitze zur Bevölkerung wäre nicht mehr optimal gewährleistet.
Das „Anguilla-Projekt“
Sein Eintreten für kleine Staaten machte ihn zu einem Kämpfer für die Unabhängigkeit von Wales aber auch von Anguilla, einer kleinen Karibikinsel. Anguilla, zirka 300 km von Puerto Rico entfernt, zählte 6500 Einwohner und stand gemeinsam mit den Nach-barinseln Nevis und St. Kitts unter britischer Verwaltung. Die Inselbewohner erklärten sich 1967 unabhängig und wiesen dem britischen Gouverneur die Tür. Kohr lehrte damals an der University of Puerto Rico und sah sich berufen den Anguillanern zu helfen.
Mit Hilfe von Freunden in den USA und Kanada organisierte er eine „Staatsgründungs-aktion“ und machte die Weltöffentlichkeit auf die Probleme dieser Insel aufmerksam. Der Bau amerikanischer Großhotels wurde auf Kohrs anraten ebenso verhindert wie die Errichtung einer Basis für die Schiffe des griechischen Reeders Onassis. Die Entwicklung der wirtschaftlichen Möglichkeiten sollte kleinräumig und ohne Gigantomanie erfolgen.
Das „Angiulla-Projekt“ wurde allerdings nach zwei Jahren über Initiative der Regierung Wilson in London beendet. Anguilla behielt die eigene Verwaltung bekam aber wieder einen britischen Gouverneur. 1981 erlangte die Insel dann endgültig ihre Unabhängigkeit.
Kohrs Herkunft
Seine Ideen wurden von seiner Herkunft bestimmt. Der berühmte Philosoph und Nationalökonom Leopold Kohr erblickte vor 90 Jahren, am 5. Oktober 1909, in Oberndorf bei Salzburg das Licht der Welt. Auf seinen Geburtsort, den Flachgauer Ort Oberndorf, war Kohr Zeit seines Lebens stolz. Er selbst sagte, dass seine „Urbegriffe“ nie global, kontinental oder österreichisch gewesen seien, sondern immer land-salzburgisch.
Seine „Urdistanz“, das Maß aller Entfernungen, blieb für ihn immer jene 22-Kilometer-Einheit, die Oberndorf von der Stadt Salzburg trennt. Gerade, weil sich Kohr seines Her-kommens bewusst war und ihn dies mit Stolz erfüllte, war er kein Kleingeist, sondern ein Weltbürger.
Kohr wuchs in Oberndorf auf, besuchte hier die Volksschule und in Salzburg das Gymnasium. In Innsbruck und Wien promovierte er in den Fächern Rechts- und Staatswissenschaften. Nach dem Einmarsch deutscher Truppen und dem Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft verließ er aus politischen Gründen Österreich. Über Paris erreichte Kohr auf dem Dampfer „Bremen“ 1938 die Vereinigten Staaten. Hier half ihm der aus Oberndorf stammende Bäcker Lämmermeyer die erste Zeit zu überstehen.
Kohr hatte viele Schwierigkeiten, besonders finanzieller Art, zu überwinden. Bei der schweren körperlichen Arbeit in einem kanadischen Goldbergwerk erlitt er einen Hör-sturz. Doch bald knüpfte Kohr viele Kontakte zu amerikanischen Intellektuellen und Auslandsösterreichern. In der „Österreich-Frei-Bewegung“ setzte er sich für die Befreiung Österreichs vom nationalsozialistischen Joch ein. Bei seinen Bemühungen um die Freiheit Österreichs verwies er immer wieder auf das reiche kulturelle Erbe des kleinen Landes im Herzen Europas.
Besonders in der Weihnachtszeit verwendete er dazu die Entstehungsgeschichte des Weihnachtsliedes „Stille Nacht! Heilige Nacht!“. Durch seine Artikel erfuhren viele US-Amerikaner woher dieses Lied überhaupt kam. Gleichzeitig machte er die kulturellen Leistungen Österreichs und den Willen zur Selbständigkeit bewusst.
1943 begann er mit seiner Lehrtätigkeit an renommierten Universitäten in den USA, Puerto Rico und Großbritannien. Die Verleihung des Alternativen Nobelpreises an Kohr im Jahre 1983 rückte ihn und seine Thesen dann verstärkt in das Bewusstsein der österreichischen Öffentlichkeit. 1986 kam es in Neukirchen am Großvenediger zur Gründung der „Leopold Kohr Akademie“, die sich bis heute erfolgreich um die Verbreitung von Kohrs Ideen kümmert.
Der Kontakt zu seinem Heimatort Oberndorf riss nie ab. Im Sommer 1993 beabsichtigte Kohr nach Oberndorf heimzukehren. In der Pension „Salzachhof“ in der Brückenstraße sollte eine Dachwohnung bezogen werden. Bevor er dieses Vorhaben aber verwirklichen konnte, starb er am 26. Februar 1994 in seiner englischen Wahlheimat. Seine letzte Ruhestätte fand Leopold Kohr im Familiengrab am Oberndorfer Ortsfriedhof.
Im Stille-Nacht- und Heimatmuseum Oberndorf (Link) ist Leopold Kohrs Andenken ein Ausstellungsbereich gewidmet, der die wichtigsten Fakten zu seinem Leben und seine Schriften präsentiert. Die Bibliothek Oberndorf und das Museum widmeten Leopold Kohr am 1. Oktober einen Gesprächsabend. Prof. Alfred Winter, der Kohr Anfang der 1980er Jahre wieder in das Bewusstsein der österreichischen Öffentlichkeit rückte, brachte den Zuhörern Kohrs Leben und Werk nahe.
Wer sich über das Leben und Werk von Leopold Kohr näher informieren will, kann dies in den zwei folgenden, im Buchhandel erhältlichen, Publikationen tun:
* Lehner, Gerald: Die Biographie des Philosophen und Ökonomen Leopold Kohr.- Wien 1994.
„Small is beautifiul“. Ausgewählte Schriften aus dem Gesamtwerk.- Wien 1995.
Quellen: microstorage/dorfzeitung.com
Weitere Artikel:
Leopold Kohr: Er war Denker der kleinen Einheiten, des menschlichen Maßes
Wir konsumieren uns zu Tode (Video-Vortrag)
Der Mensch, das entrechtete Wesen
Brennholz-Klau im Wald: Die Diebe mit der Kettensäge – GPS-Sender sollen Abhilfe schaffen
Immanuel Kant: Was ist Aufklärung? (Video)
Mensch Gottfried – der autarke Selbstversorger (Video-Dokumentation)
Alternatives Arbeitssystem: „20 Stunden Arbeit sind genug“ (Video-Dokumentation)
Eckhart Tolle: Vom Jetzt zur Zeitlosigkeit und Stille (Video)
Ode an die Freude – Freiheit: Wohnen zwei Herzen (Seelen) in unserer Brust? (Video)
Endstation Fortschritt [HD] (Video)
Der Konsum und seine Folgen (Video)
Sie leben! Der konsumierende Unhold (Video)