Ein Anfang November am Skelett einer Taube gefundener Zettel, verschlüsselt mit einem Code aus dem Zweiten Weltkrieg, sorgte in den letzten Monaten für Interesse unter Krypto-Interessierten. Nun behauptet ein kanadischer Experte, die Botschaft mit Hilfe eines alten Codebuchs entschlüsselt zu haben.
Zunächst hatten die meisten Experten eine Entschlüsselung der Nachricht als unwahr-scheinlich eingestuft. Allerdings wurde von Anfang an die Möglichkeit diskutiert, dass die zu der Botschaft passenden Codebücher noch existieren könnten und mit ihrer Hilfe eine Entschlüsselung denkbar wäre.
Genau dies gelang nun offenbar dem Geschichts-Enthusiasten Gord Young aus dem kanadischen Ontario. Young erklärte, er habe entdeckt, dass ein von ihm geerbtes Codebuch der Schlüssel zu der Nachricht sei, und mit Hilfe des Dokuments die Botschaft innerhalb von 17 Minuten entschlüsselt.
Experten des britischen Geheimdienstes GCHQ allerdings zeigen sich skeptisch. „Wir bleiben bei unserer Stellungnahme vom 22. November 2012, dass die Nachricht ohne Zugriff auf die relevanten Codebücher und Details jeder möglicherweise zusätzlich verwendeten Verschlüsselung unmöglich zu entschlüsseln bleiben wird. In ähnlicher Weise ist es unmöglich, vorgeschlagene Lösungen zu verifizieren, aber diejenigen, die ohne Referenz zu originalem kryptographischen Material vorgeschlagen werden, sind wahrscheinlich nicht korrekt,“ erklärte ein Sprecher. Er fügte hinzu, die Behörde sei dennoch gerne bereit, sich Youngs Lösungsvorschlag anzuschauen.
Die Formulierungen der Experten deuten darauf hin, dass bei der Verschlüsselung ein sogenanntes „One-Time Pad“ (OTP) verwendet worden sein könnte. Bei diesem wird jedes Zeichen mit einem anderen Zeichen aus einem zufällig oder pseudozufällig erstellten Codebuch verschlüsselt. Der Schlüssel ist genauso lang wie der Klartext. Bei diesem Verfahren ist es unmöglich, eine Nachricht zu entschlüsseln, ohne das Codebuch zu kennen, da ein verschlüsselter Text zu jedem beliebigen Klartext gehören kann. Aufgrund logistischer Herausforderungen bei der Verteilung und Sicherung der Codebücher findet diese als extrem sicher einzustufende Methode vor allem bei Regierungen, Militär und Geheimdiensten Verwendung.
Young allerdings ist von seiner Lösung überzeugt und äußerte die Ansicht, die Experten würden „die Sache zu kompliziert machen„. Mit einem vom kandadischen Royal Flying Corp stammenden Codebuch seines Großonkels habe er die Botschaft binnen Minuten entschlüsseln können. Seiner Meinung nach stammt die Nachricht vom 27-jährigen Sergeant William Stott, einem Infanteristen aus der englischen Grafschaft Lancashire, der mit einer Reihe von Tauben in der Normandie abgesprungen war, um die Positionen der Deutschen zu melden. Stott wurde einige Wochen nach dem Beginn dieser Mission getötet und ist auf einem Soldatenfriedhof in der Normandie begraben.
Der verwendete Code sei simpel und verwende viele Abkürzungen, sagte Young. Er habe aus der Formulierung der Nachricht – insbesondere der veralteten Schreibweise des Begriffs „Sergeant“ als „Serjeant“ – geschlossen, dass Stott von einem Veteranen des Ersten Weltkriegs ausgebildet worden sei. Dies habe ihn zu der Annahme gebracht, dass Stott ähnliche Abkürzungen wie im Ersten Weltkrieg verwendete. Diese seien kürzer gewesen als in späteren Zeiten, da die damaligen primitiven Funkgeräte nur eine Akku-Laufzeit von etwa einer halben Stunde gehabt hätten und es daher wichtig sei, Nachrichten möglichst schnell im damals üblichen Morse-Code versenden zu können, erklärte Young. Somit habe Stott viele Informationen mit einer Taube übermitteln können.
Die von Young vorgeschlagene Lösung der Nachricht ist ein Bericht über die Aktivitäten deutscher Panzer. Dem zufolge habe Stott die Position und Bewegungsrichtung der deutschen Panzer sowie ihrer Frontstellungen lokalisiert. „Gegenmaßnahmen gegen Panzer funktionieren nicht,“ heißt es außerdem. Stott berichtet laut dieser Lösung auch von Panzer-Angriffen im Stile der damaligen von Nazi-Deutschland verfolgten Taktik des „Blitzkrieges“.
Zweifellos ist die von Young vorgeschlagene Lösung interessant und mit einer faszinierenden Hintergrundgeschichte versehen. Ob sie jedoch stimmt oder ob die Experten des GCHQ mit ihrer Skepsis recht behalten, ist derzeit schwer zu sagen. Zweifellos wird dieses faszinierende historische Rätsel die Fachwelt noch länger bewegen.
Quellen: AP/gulli.com vom 16.12.2012
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