Der Opiumanbau ist längst einer der wichtigsten Wirtschaftszweige Afghanistans geworden, schätzungsweise 85 Prozent des weltweit vertriebenen Heroins haben ihren Ursprung hier. Dramatisch nicht nur für die Abhängigen in Europa, sondern auch für die afghanischen Bauern: Sie werden von den mafiösen Strukturen, die die großen Profite aus dem illegalen Geschäft ziehen, mit Gewalt zum Anbau von Schlafmohn gezwungen – unter den Augen und Gewehren der deutschen Bundeswehr.
Seit elf Jahren, seit Beginn des »Krieges gegen den Terror« der NATO, hält die deutsche Armee ein eigenes Protektorat im Norden des Landes. Das Militär hat längst seinen Frieden mit der Drogenmafia gemacht. Der »Krieg gegen den Terror« ist ein bewaffnetes Schutzkommando für Drogenbarone geworden. Von den hehren Versprechen, die mit dem Bundeswehrmandat verknüpft waren – Demokratie, Gleichberechtigung für Frauen, Aufbau der geschundenen Wirtschaft –, ist nicht viel übrig geblieben.
2014 sollen ein Teil der westlichen Besatzungstruppen abziehen. Keineswegs alle natürlich, allein die USA wollen rund 35000 Mann auf Jahrzehnte in dieser geo-strategisch wichtigen Region stationiert lassen. Doch wenigstens den Anschein einer funktionsfähigen Regierung will man wahren. Mit dem machtlosen Präsidenten Karsai, dessen Regierungsgewalt kaum bis in alle Vororte der Hauptstadt Kabul reicht, ist das nicht mehr zu schaffen.
Die Geschichte von der Opiumgewinnung unter deutscher Schutzmacht steht sinnbildlich für das Dilemma Afghanistans, für das Scheitern des »Demokratieexports«, der nie einer war, der wohl auch nie einer werden sollte. Aber Krieg verkauft sich schlecht, die Mehr-heit der deutschen Bevölkerung ist dafür immer noch nicht zu gewinnen, aller medialer Kampagnen und Friedensnobelpreise zum Trotz.
Am Wochenende fand in Bonn ein Kongreß unter dem Motto »Stoppt den Krieg – Wege zum Frieden in Afghanistan« statt, der nach elf Jahren Krieg, nach Möglichkeiten für eine Versöhnung des Landes suchen wollte. Veranstaltet von der »Koordination für den Frieden«, einem Bündnis aus über 50 deutschen Friedensgruppen, konnte sich die Konferenz rühmen, mehr Vertreter der afghanischen Gesellschaft an einen Tisch gebracht zu haben als die offiziellen Veranstaltungen auf dem Bonner Petersberg, die 2001 eine Übergangsregierung unter dem jetzigen Präsidenten Karsai inthronisierte.
Mehr als dreißig afghanische Parteien, Organisationen und zivilgesellschaftliche Gruppen folgten der Einladung. Die Meinungspalette war dementsprechend groß, doch in einer Frage herrschte Einmütigkeit unter den Teilnehmern: Ohne Frieden ist Afghanistan nicht zu helfen. Und dieser Frieden muß zwangsläufig mit einem Ende der Besatzung des Landes beginnen.
Am Samstag abend debattierten drei deutsche Parlamentarier mit den Konferenz-teilnehmern. Uli Cremer für die Grünen, Kathrin Vogler von der Linkspartei und Angelika Graf, SPD, konnten sich auf die Bedingung, daß Frieden nicht alles, aber ohne Frieden alles nichts ist, einigen. Doch dort beginnen auch die Widersprüche: Soll die BRD im Alleingang aus Afghanistan abziehen, den USA gar die Nutzung ihrer deutschen Stützpunkte untersagen?
Nein, ein Ausscheren aus der NATO könne sie sich nicht vorstellen, meint Graf. Sebastian Hermler von den Piraten sitzt ebenfalls mit am Podium, er ist aktiver Bundes-wehroffizier, bis vor kurzem selbst am Hindukusch stationiert. Und er vertritt mit Abstand die radikalsten Forderungen von allen anwesenden Politikern: Raus aus Afghanistan, sofort; die Präsenz der Bundeswehr richte schließlich nur Schaden an. Hermler muß es wissen. Auch wenn manche seiner Ideen etwas naiv klangen – die Befreiung der afghanischen Frau dürfte z. B. nicht von allein kommen, wenn die Interventen verschwunden sind –, der Applaus der anwesenden Afghanen war ihm sicher.
Seine Forderung nach sofortigem Abzug der deutschen Truppen war allemal realistischer als die grünen Gedankenspiele Cremers über erneuerbare Energien, die man in der afghanischen Wüste gewinnen könne. Unter deutschen Weltverbesserern hat Afghanistan lange genug leiden müssen. Und schlechter als das, was jetzt ist, kann es kaum werden.
Machen wir uns nichts vor, die Bundesregierung, die USA (Stichwort unteranderem „Air America“) und auch die englische Queen verdienen am internationalen Drogenhandel. Der Schutz der Drogenfelder geschieht aus purem Eigennutz (Link)!
Quellen: PRAVDA-TVReuters/jungewelt.de vom 15.10.2012